Nach Habecks Koalitionskritik Einigkeit nicht in Sicht
Nach der deutlichen Kritik von Wirtschaftsminister Habeck an den Koalitionspartnern reagieren die Generalsekretäre von SPD und FDP gereizt. SPD-Chef Klingbeil ermahnte die Ampelpartner, den Streit einzustellen.
Der Streit zwischen den Koalitionspartnern geht in eine weitere Runde: FDP-Generalsekretär Bijan Dijr-Sarai und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert haben die Kritik von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an der Arbeit der Koalition zurückgewiesen.
"Die Wahrnehmung von Herrn Habeck, die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt verantwortlich und die anderen Parteien würden verhindern, entspricht nicht der Realität", sagte Djir-Sarai dem "Spiegel". "Ich kann nicht erkennen, dass die Grünen den Fortschritt beschleunigen, sie blockieren ihn an vielen Stellen - etwa beim Ausbau der Infrastruktur oder einem technologieoffenen Ansatz in der Klimaschutzpolitik." Auch unzumutbare Belastungen etwa durch ein kurzfristiges Verbot von Heizungen seien kein Fortschritt, so Djir-Sarai.
Kühnert sieht Habeck unter Druck
Generalsekretär Kevin Kühnert attestierte dem Minister, aktuell unter Druck zu stehen. "Aber ich glaube, man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.
"Die Äußerungen von Robert Habeck waren sicherlich eher an die eigenen Leute im Umfeld der Klausurtagung der Grünen-Bundestagsfraktion gerichtet", sagte SPD-Fraktionsvize Wiese dem "Spiegel". "Hintergründig mag auch der Konflikt mit Annalena Baerbock um die nächste Spitzenkandidatur eine Rolle spielen."
Habeck stellt Einigungswillen in der Regierung in Frage
Habeck hatte im tagesthemen-Interview kritisiert, dass einige in der Regierung "in alte Bequemlichkeit" zurückfielen. Er sei etwa in der Frage der Umrüstung der Gas- und Ölheizungen alarmiert, ob es überhaupt Einigungswillen in der Regierung gebe. Es habe eine gezielte Indiskretion über den gemeinsamen Gesetzentwurf von Wirtschafts- und Bauministerium gegeben. "Eine Regierung, die das Vertrauen verspielt, hat natürlich ihr größtes Pfund verloren."
Er warf den Koalitionspartnern vor, ihn "anzuschwärzen". Der Vizekanzler hatte SPD und FDP schon auf der Grünen-Klausur in Weimar eine Bremserrolle vorgeworfen.
Koalitionsausschuss der drei Parteien am Sonntag
Derzeit gibt es in der Ampel eine Reihe von Streitthemen, in denen vor allem die Grünen und die FDP keine gemeinsame Position finden. Am Sonntag kommen die drei Parteien im Koalitionsausschuss zusammen. Dort habe man "große Aufgaben zu lösen", sagte Lars Klingbeil. Der SPD-Chef rief zur Deeskalation auf: "Diese öffentlichen Auseinandersetzungen müssen jetzt aufhören", sagte Klingbeil dem ARD-Hauptstadtstudio.
Ziele aus dem Koalitionsvertrag, etwa in der Energieversorgung und dem Klimaschutz, seien infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine noch dringlicher geworden. Daran werde die Regierung gemessen, und "dafür müssen wir in einen anderen Arbeitsmodus kommen". Sein Appell gelte allen drei Parteien der Ampel: In den vergangenen Wochen gab es in der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP Streit zu mehreren Vorhaben, vom Autobahnausbau über ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen bis hin zum anstehenden Etat für 2024.
Haßelmann: Viele Gemeinsamkeiten im "Team Ampel"
Auch die Fraktionsführung der Grünen rief die Koalition zur Geschlossenheit auf. Es gebe viele Gemeinsamkeiten im "Team Ampel" bei Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, sagte die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann am Rande der Grünen-Klausur. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge erklärte: "Dieses Jahr ist das Arbeitsjahr der Ampel." Im vergangenen Jahr sei die große Aufgabe die Bewältigung einer Krise gewesen, was die Koalition gemeinsam gut geschafft habe. "Wir haben manchmal zu viel diskutiert. Das tun wir heute auch. Aber wir haben vor allen Dingen gemeinsam gehandelt." Haßelmann betonte, die Bürgerinnen und Bürger erwarteten Lösungen und nicht Streit auf offener Bühne.
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich nicht zu den aktuellen Misstönen in seiner Koalition. Sein Sprecher Steffen Hebestreit bemühte sich aber um Beruhigung. Der Kanzler sei "mit allen im Gespräch und bewegt es in die richtige Richtung", sagte Hebestreit. Der Sprecher warb um Verständnis für die erforderlichen Abstimmungsprozesse innerhalb der Koalition: "Manches dauert dann etwas länger, als man es in einer Alleinregierung gerne hätte, aber am Ende kommt immer ein gutes Ergebnis raus."