Wer wählte was warum? Wo die CDU punkten konnte - und die SPD nicht
Wie ist der CDU-Triumph zu erklären, wie das SPD-Debakel? Haben die Jungen wieder völlig anders gewählt als die Älteren? Welchen Einfluss hatte der Ukraine-Krieg? Eine Analyse mit infratest-dimap-Daten.
Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr war auffällig, dass junge Menschen vor allem zwei Parteien wählten: die Grünen und die FDP. Union und SPD hingegen hatten überdurchschnittlich viele Wähler in den hohen Altersgruppen.
Und bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein? Anders als im Bund dürfen hier auch 16- und 17-Jährige wählen - und auch hier haben die Jungen überdurchschnittlich oft ihr Kreuz bei Grünen und FDP gemacht.
In der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen sind die Grünen laut den Daten von infratest dimap mit 26 Prozent sogar klar stärkste Kraft, gefolgt von der CDU - die mit 23 Prozent in dieser Altersgruppe aber nur etwa die Hälfte dessen erreicht, was sie insgesamt bekommen hat.
Viertstärkste Kraft bei den jungen Wählern ist die FDP, die hier mit zwölf Prozent fast doppelt so gut abschneidet wie in der Gesamtbevölkerung. Die Jüngeren sind auch die einzige Altersgruppe, bei der die FDP im Vergleich zu 2017 nicht verloren hat.
Kein dominierendes Thema für Wahlentscheidung
Sowohl Grünen als auch FDP gelingt es offenbar, mit ihren Themen bei jungen Wählern zu punkten. Zwar gab es bei dieser Landtagswahl nicht das eine, dominierende Thema. Auffällig ist aber, dass sich die Wähler von CDU, SPD und SSW einerseits und Grünen sowie FDP andererseits bei der Frage, welche Themen für ihre Wahlentscheidung besonders wichtig waren, doch deutlich unterscheiden.
Während von SSW-Wählern mit 24 Prozent, CDU-Wählern mit 21 Prozent und SPD-Wählern mit 17 Prozent die Sicherheit der Energieversorgung besonders häufig als wichtigstes Thema genannt wurde, standen bei Grünen und FDP Themen oben, von denen die jüngeren Generationen in besonderem Maße betroffen sind: Bei den Grünen dominierte mit 56 Prozent ganz klar der Klimaschutz, bei FDP-Wählern wurde mit 22 Prozent die Bildungspolitik besonders oft als wahlentscheidender Grund genannt.
Bei den Älteren führt die CDU unangefochten
Das Alter der Wähler spielt übrigens auch für den überragenden Wahlsieg der CDU eine Rolle. Denn Schleswig-Holstein hat eine vergleichsweise alte Bevölkerung - und bei den älteren Wählern steht die CDU im Norden völlig unangefochten da: Bei den über 60-Jährigen holt sie mehr als 50 Prozent der Stimmen. Weit abgeschlagen folgen hier SPD und Grüne mit 19 bzw. 15 Prozent.
Im Vergleich zu 2017 gewinnt die CDU aber in allen Altersgruppen hinzu - bei älteren aber tendenziell stärker als bei jüngeren.
Definitiv keine Wechselstimmung
Die CDU profitiert vor allem von zwei Dingen: ihrem Spitzenkandidaten und der Tatsache, dass es in Deutschlands nördlichstem Bundesland definitiv keine Wechselstimmung gab.
75 Prozent der Wahlberechtigten in Schleswig-Holstein sind zufrieden mit der Arbeit der schwarz-grün-gelben Landesregierung in den vergangenen fünf Jahren. Das ist ein absoluter Spitzenwert, den in den vergangenen zwei Jahrzehnten - seitdem infratest dimap diese Frage vor Landtagswahlen stellt - noch nie eine Landesregierung erreicht hat.
Zustimmung für Günther - auch von Oppositionsanhängern
Auffällig ist dabei zudem, dass auch die Anhänger der beiden bisherigen Oppositionsparteien SPD und SSW der Regierung ein gutes Zeugnis ausstellen. Lediglich AfD-Anhänger sind hier skeptischer. Doch eine Zustimmung von 36 Prozent für eine amtierende Regierung ist für Anhänger der AfD - die sich ja oft als "Gegen-Partei" positioniert - ein ausgesprochen hoher Wert.
75 Prozent sind mit Günther zufrieden
Der Jamaika-Koalition - ein Bündnis, das wegen der teils sehr unterschiedlichen Ausrichtung der drei Parteien gemeinhin als schwierig gilt - ist es also gelungen, die Menschen im Land zu überzeugen. Das ist zum großen Teil dem Mann an der Spitze zu verdanken: Ministerpräsident Daniel Günther bekommt überragende Zustimmungswerte.
Drei Viertel sind mit seiner Arbeit zufrieden, ähnlich viele glauben, dass er die Interessen Schleswig-Holsteins gut vertreten hat. Und für 54 Prozent der CDU-Wähler war der Kandidat der entscheidende Grund für ihre Entscheidung, nicht das Programm - ein Wert, den es in dieser Deutlichkeit selten gibt.
Abgrenzung vom Merz-Kurs wird honoriert
Und auch, dass Günther sich anders positioniert als der neue CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz, kommt in Schleswig-Holstein an - sowohl bei CDU-Wählern als auch bei Anhängern anderen Parteien. Während Merz als konservativ und eher konfrontativ gilt, hat sich Günther zunehmend als Mann der Ausgleichs präsentiert.
Etwa 70 Prozent aller Wahlberechtigten und mehr als 90 Prozent der CDU-Wähler bescheinigen ihm, dass er für eine moderne, zukunftsgewandte CDU steht und dass er die Fähigkeit hat, verschiedene Positionen zusammenzuführen.
SPD überzeugt weder personell und inhaltlich
Die SPD kämpft in Schleswig-Holstein hingegen gleich mit einer Reihe von Problemen. Obwohl sie mit Olaf Scholz den Bundeskanzler stellt, kommt aus Berlin eher Gegenwind - was sich etwa daran zeigt, dass nur gut ein Viertel der Menschen in Schleswig-Holstein sagen, Olaf Scholz sei eine große Unterstützung für die Landes-SPD gewesen.
Entscheidend für das Debakel der SPD im Norden dürfte aber sein, dass sie aus Sicht vieler Wähler derzeit weder inhaltlich noch personell etwas zu bieten hat. Nur 21 Prozent sind mit der politischen Arbeit von SPD-Spitzenkandidat Losse-Müller zufrieden - viele im Land kennen ihn noch nicht mal.
Und auch bei der Zuschreibung von Sachkompetenzen verliert die SPD im Vergleich zu 2017 auf breiter Front. In vielen Bereichen - gerade solchen wie Wirtschaft, Arbeit und Finanzen - haben sich die Werte quasi halbiert. Und statt 34 Prozent wie 2017 glauben jetzt nur noch 16 Prozent, dass die SPD die Partei ist, die die wichtigsten Probleme im Land am ehesten lösen kann.
Großes Vertrauen in Energie-Kompetenz der Grünen
Ganz anders die Grünen, der zweite Gewinner dieses Wahlabends. Gerade bei eher "harten" Themen haben sie Kompetenzen hinzugewonnen. Dass ihre Spitzenkandidaten Monika Heinold seit zehn Jahren in wechselnden Regierungen Finanzministerin des Landes ist, dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben.
Auffällig ist, dass den Grünen bei der Energieversorgung ähnlich hohe Kompetenzen zugeschrieben werden wie der CDU. Das wiederum dürfte zum Teil auch daran liegen, dass der dafür zuständige Bundesminister in Berlin ein Grüner ist, der aus Schleswig-Holstein kommt, dort lange Vize-Regierungschef war und die Beliebtheitsliste der Bundespolitiker derzeit anführt: Robert Habeck. Stimmen hinzugewonnen haben die Grünen übrigens in allen Altersgruppen.
Der FDP fehlt das Zugpferd
Auch die FDP hat in vielen Politikbereichen an Kompetenzen gewonnen - wie die Grünen stark auch in den "harten". Dass es ihr nicht gelingt, das in Stimmen umzuwandeln, dürfte viel mit dem Personal zu tun haben. Ihr Spitzenkandidat Bernd Buchholz kommt bei Weitem nicht an die Sympathiewerte von Wolfgang Kubicki heran, der 2017 als Spitzenkandidat angetreten war und inzwischen in die Bundespolitik gewechselt ist.
Von dort kommt für die FDP im Norden kein Rückenwind. Dass Parteichef Christian Lindner eine große Unterstützung war, glaubt nicht mal ein Drittel der Wahlberechtigten in Schleswig-Holstein. Und fast die Hälfte der Wahlberechtigten und auch 35 Prozent der FDP-Wähler kritisieren, dass Lindner als Finanzminister nicht den Kurs fährt, den er vor der Wahl angekündigt hatte.
Einfluss des Ukraine-Kriegs schwer einzuschätzen
Inwieweit der Ukraine-Krieg Einfluss auf die Wahlentscheidung genommen hat, ist schwer zu sagen. Zwar spielten der Krieg, seine Auswirkungen und die Reaktion Deutschlands darauf im Wahlkampf eine große Rolle, doch die hierfür relevanten Entscheidungen werden nicht in Kiel sondern in Berlin getroffen. Und so sagen auch nur neun Prozent der Wahlberechtigen in Schleswig-Holstein, dass der Umgang mit dem Krieg für sie das wichtigste Thema war.
Gerade AfD-Wähler haben Angst vor steigenden Preisen
Doch es gibt natürlich Themen, die indirekt mit dem Krieg zu tun haben und zumindest teilweise auch auf Landesebene mitentscheiden werden - wie eben die Energieversorgung und auch die steigenden Preise. Bei AfD-Wählern war die Angst vor steigenden Preisen übrigens mit 42 Prozent ganz klar das dominierenden Thema.
Mutmaßlich dürfte das Thema Zuwanderung für sie noch eine größere Rolle gespielt haben. Da es im Wahlkampf insgesamt aber keine Rolle gespielt hat, wurde es in den Umfragen, die infratest dimap im Auftrag der ARD am Wahltag und in den Tagen davor durchgeführt hat, nicht extra abgefragt.
Gute Noten für die Corona-Politik
Dass die AfD, die sich im Norden seit Anbeginn schwer tut, nun sogar wieder aus dem Landtag fliegt, dürfte neben dem parteiinternen Zwist vor allem damit zu tun haben, dass ihr die zentralen Themen weggebrochen sind.
Neben der Zuwanderung war das vor allem die Corona-Politik. Sie hat bei dieser Landtagswahl zwar noch eine Rolle gespielt. Doch für ihre Corona-Politik bekommt die Jamaika-Koalition parteiübergreifend gute Noten - und selbst AfD-Anhänger sind zu 41 Prozent damit zufrieden.