Abschluss Linken-Parteitag Ein bisschen Aufbruch
Schlechte Wahlergebnisse und interne Querelen haben der Linkspartei stark zugesetzt. Mit der Wahl einer neuen Spitze sollte auf dem Parteitag der Neustart gelingen. Noch ist nicht klar, ob der Plan aufgeht.
Der Linken-Parteitag in Erfurt sollte ein Aufbruchssignal senden. Mit klarem Kurs und neu gewählter Parteispitze wollte sich die Linke aus dem stetigen Abwärtstrend der letzten Monate verabschieden. Allerdings sind auch die inhaltlichen und persönlichen Probleme deutlich geworden. Mit 57,5 Prozent ist Janine Wissler als Parteichefin wiedergewählt worden. Das ist kein gutes Ergebnis, wohl auch weil in den vergangenen 14 Monaten zu viel schiefgelaufen ist.
Die Linke ist mit den Spitzenkandidaten Wissler und Bartsch nur dank dreier Direktmandate überhaupt in den Bundestag gekommen. Bei den jüngsten drei Landtagswahlen verpasste die Partei zudem den Einzug in die Parlamente deutlich. Hinzu kommt ein Sexismus-Skandal in Wisslers hessischem Landesverband, der auch auf dem Bundesparteitag eine große Rolle gespielt hat.
Noch nach ihrer Wahl wurde ihr von einer Delegierten vorgeworfen, sie betreibe Täterschutz. Ein harter Vorwurf, der allerdings nicht belegt ist. Am Ende setzten sich Janine Wissler und ihr Wunschpartner Martin Schirdewan im Rennen um die Parteispitze durch. Er erhielt aber auch nur 61,3 Prozent der Delegiertenstimmen.
Schirdewan soll für Ausgleich sorgen
Der Europapolitiker Schirdewan ist der neue Co-Vorsitzender an Wisslers Seite. Ähnlich wie seine Vorgängerin, die unlängst zurückgetretene Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, gehört er zur Strömung der ostdeutschen Pragmatiker. Mit Wissler will Schirdewan besser als seine Vorgängerin zusammenarbeiten. Man kenne sich schon lange aus der politischen Arbeit, sagt der 46-Jährige, der sich deutlich gegen Sören Pellmann durchsetzte. Der Leipziger hatte im vergangenen Jahr für die Linke das wichtige dritte Bundestagsmandat geholt, das der Partei den Status als Bundestagsfraktion sicherte.
Pellmann war im Vorfeld des Parteitags von Sahra Wagenknecht unterstützt worden, die auf dem Parteitag krankheitsbedingt fehlte. Im Vorfeld hatte sie den Richtungsstreit in der Linken in Interviews befeuert. Auf dem Parteitag in Erfurt mussten sie und ihre Anhänger dann aber personell und inhaltlich gleich mehrere Niederlagen hinnehmen. Und auch dadurch wurde das Problem der Linken deutlich. Denn ein geschlossenes Auftreten fällt den enttäuschten Linken-Spitzenkräften schwer, auch wenn es auf dem Parteitag immer wieder eingefordert wurde. Unter anderem von Partei-Ikone Gregor Gysi, der von einem "Klima der Denunziation" sprach.
Fragile Machtverhältnisse
Nach seiner Wahlniederlage soll Sören Pellmann gegenüber der Nachrichtenagentur dpa persönliche Konsequenzen erwogen haben. Auf die Nachfrage, ob nach seiner Niederlage auch ein Rückzug aus der Bundestagsfraktion denkbar sei, bekräftigte er: "Ich denke in den nächsten Tagen über alle Möglichkeiten nach." Gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio wollte Pellmann diese Aussage dann nicht bestätigen. Der Fall zeigt aber, wie fragil allein die Machtverhältnisse in der Bundestagsfraktion der Linken sind. Denn durch den Austritt einzelner, unzufriedener Bundestagsabgeordneter kann sie ihren Fraktionsstatus und damit viel Geld und andere Vorteile verlieren.
Ob sich Partei-Promis wie Sahra Wagenknecht künftig einbinden lassen und statt der eigenen Meinung die Parteilinie vertreten, ist auch deshalb weiterhin völlig offen. Schließlich kann sie dadurch erheblich Druck auf die Partei ausüben. Zumal auch die neuen Parteivorsitzenden Wissler und Schirdewan wiederum keine wirklichen Druckmittel haben und sie wohl auch nicht von der Fraktionsspitze bei ihrer Kandidatur unterstützt wurden. Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch sollen auf das Führungsduo Sören Pellmann/Heidi Reichinnek an der Parteispitze gesetzt haben - ohne Erfolg. Zum neuen Bundesgeschäftsführer wurde Tobias Bank gewählt, der wiederum als Bartsch-nah gilt.
Große Debatten um die künftige Russlandpolitik
Eineinhalb Tage lang hat der Parteitag über die künftige Positionierung in der Russlandpolitik debattiert. Dabei wurde klar: Die Linke will "Friedenspartei" bleiben, die große Mehrheit der Partei spricht sich deshalb auch weiterhin gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Gleichzeitig will die Partei Sanktionen, die allerdings nur Putin und die Oligarchen treffen. Diskutiert wurde über jede Zeile im Antragstext und vor allem über die Frage, ob man die NATO im gleichen Atemzug wie Russland kritisiert oder nicht.
Am Ende hat sich der Parteitag dagegen entschieden. Von Waffenlieferungen für die Ukraine bis hin zu Relativierungen der Rolle Russlands - auch die Debatte über den Ukrainekrieg hat gezeigt, wie weit die Positionen in der Linken auseinander liegen. Inhaltliche und personelle Kontroversen - auf den neu gewählten, verkleinerten Parteivorstand kommen einige Aufgaben zu. In Erfurt wurden lediglich die Rahmenbedingungen gesetzt. Ein wirklicher Neuanfang war der Parteitag noch nicht.