Karlspreis an Jean-Claude Juncker Ein Europäer mit Bodenhaftung
Luxemburgs Premierminister Juncker ist mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet worden. Er sei ein großer Europäer, dem es wie nur wenigen anderen gelinge, die Bürger für die europäische Einigung zu begeistern, heißt es in der Begründung der Karlspreis-Gesellschaft.
Von Michael Becker, MDR, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Jean-Claude Juncker erfreut sich bei Journalisten größter Beliebtheit. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, seine öffentlichen Auftritte haben immer höchsten Unterhaltungswert, und er kann über sich selber lachen. Zur Entspannung geht er zu Hause am liebsten in den Keller und gibt sich leidenschaftlich dem Flippern hin: "Ich bin gerne blöd, starre auf einen Bildschirm und klimpere mit zwei Fingern an der Seite des Flippers entlang – das entspannt mich total“, bekennt er freimütig.
Mann mit Bodenhaftung
Auch sonst legt Juncker größten Wert darauf, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. In Luxemburg meint er, falle einem das auch leicht. "Wenn ich mein Büro verlasse, um ins Parlament zu gehen, dann sprechen die Menschen auf der Straße mich an und sagen mir, was geht oder was nicht geht - manchmal loben sie mich auch, aber das ist weniger oft der Fall. Ich habe zumindest nicht den Eindruck, dass es mir an Bodenhaftung mangelt."
Seit Juni 1994 ist Juncker Regierungschef in Luxemburg - als er Premierminister wurde, war er erst 39 Jahre alt. Mittlerweile ist er der dienstälteste Regierungschef in der EU - und das mit nur 51 Jahren.
Kaum einer im Kreis der europäischen Staatslenker genießt so viel Ansehen wie Juncker. Er gilt als europäischer Überzeugungstäter. Als die EU vor zwei Jahren auf der Suche nach einem neuen Präsidenten der EU-Kommission in Brüssel war, war Juncker unbestritten die erste Wahl. Doch er wollte nicht - seine Luxemburger hatten ihn gerade erst wieder gewählt und Juncker hatte ihnen versprochen, Premierminister zu bleiben. "Ich bin immer wieder erstaunt, dass man darüber erstaunt ist, dass man sich auch am Montag nach der Wahl noch daran erinnert, was man am Samstag vor der Wahl gesagt hat. Ich bin gewöhnt, mich daran zu halten, was ich den Menschen versprochen habe“.
Sorge über Europas Krise
Präsident der EU-Kommission wurde am Ende der Portugiese Jose Manuel Barroso, den die meisten in Brüssel mittlerweile als Verlegenheitslösung betrachten. Gerade jetzt - wo die EU in einer ihrer schwersten Krisen steckt - wird eine mutige Führungsfigur schmerzlich vermisst. Vor einem Jahr hatten Franzosen und Niederländer die EU-Verfassung in Volksabstimmungen abgelehnt, seitdem herrscht Rätselraten wie es weitergehen soll.
Juncker meint, der Fehler sei gewesen, den Vertrag Verfassung zu nennen - bei den Menschen sei der Eindruck entstanden, hier solle eine europäische Planierraupe entstehen. "Ich war nie ein Anhänger des Konzepts der Vereinigten Staaten von Europa nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist mit den Europäern nicht zu machen – das möchten sie nicht. Die Europäer würden gerne engstens zusammen arbeiten, aber möchten ihr Heimatgefühl und ihre direkte Bezugswelt nicht zur Disposition stellen.“
Einen Königsweg aus der europäischen Krise hat Jean Claude Juncker auch nicht parat. Allerdings: Sollte die EU-Verfassung doch noch in Kraft treten, wird es in der EU den Posten eines EU-Präsidenten geben - ernannt von den Staats- und Regierungschefs. Ein Mann wurde von Anfang an für diesen Posten gehandelt: Jean-Claude Juncker.