Hintergrund

Diskussion über Schäubles Pläne Wie sinnvoll ist das neue Doping-Gesetz?

Stand: 24.05.2007 18:19 Uhr

Die Doping-Ausreden der letzten Jahre waren originell: Schuld an kritischen Blutwerten waren Po-Salbe, Potenzmittel oder der im Mutterleib verstorbene Bruder. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen und zeigt vor allem eines: Doping ist üblich. Nun soll ein neues Gesetz alles besser machen - doch wie erfolgversprechend ist es wirklich?   

Täglich neue Geständnisse machen klar: Doping ist im Hochleistungssport eher die Regel als eine Ausnahme. Nun ist auch die politische Diskussion um das Thema neu entbrannt: Kritiker halten das von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vorgelegte Anti-Doping-Gesetz für vollkommen unzureichend.

von Sarah Welk, tagesschau.de

Die Ausreden, die Doping-Sünder im Radsport seit Jahren präsentieren, sind ebenso originell wie absurd: So behauptete Team Telekom-Mitglied Christian Henn im Jahr 1999, seine erhöhten Testosteron-Werte seien auf ein Hausmittel seiner Schwiegermutter zurückzuführen – dieses habe seine Zeugungskraft stärken sollen. Lance Armstrong erklärte auffällige Blutwerte im gleichen Jahr mit der Verwendung einer kortikoidhaltigen Po-Salbe. Radprofi Frank Vandenbroucke teilte mit, die bei ihm gefundenen Arzneimittel seien für seinen asthmakranken Hund bestimmt gewesen. Und der US-Sportler Tyler Hamilton hatte für sein Testergebnis eine ganz spezielle Erklärung parat: Er sei ein "Mischwesen" und die fremden Blutzellen würden von den Stammzellen seines noch im Mutterleib verstorbenen Zwillingsbruders produziert. Diese Aufzählung ließe sich fast beliebig lange fortsetzen, auf andere Sportarten ausdehnen – und sie zeigt vor allem eines: Doping scheint im Hochleistungssport schon seit Jahren eher die Regel als die Ausnahme zu sein.

Gesetz soll vor Sommerpause verabschiedet werden

Nun ist auch die politische Diskussion um das Thema wieder neu entbrannt – entfacht von den aktuellen Geständnissen früherer Team Telekom-Radrennfahrer. Im Mittelpunkt der Debatte: Das geplante Anti-Dopinggesetz von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Im März hat das Bundeskabinett den Entwurf verabschiedet, nun muss noch der Bundestag zustimmen. Das werde voraussichtlich noch vor der Sommerpause geschehen, sagte ein Ministeriumssprecher im Gespräch mit tagesschau.de.

Bisher befasste sich lediglich der Paragraf 6a des Arzneimittelgesetzes explizit mit dem Thema Doping. Danach ist allerdings nur sehr allgemein verboten, „Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben und bei anderen anzuwenden.“ Sportler können lediglich wegen Betrugs angeklagt werden, wenn sie ihre Sponsoren durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen schädigen und sie sich dadurch einen Vermögensvorteil verschaffen.

Das soll sich ändern: Künftig will Schäuble explizit den Besitz von Doping-Mitteln unter Strafe stellen – allerdings nur den Besitz „von nicht geringen Mengen“. Was das genau bedeutet, steht noch nicht fest. „Wir diskutieren derzeit noch über die Grenzwerte“, so der Innenministeriumssprecher gegenüber tagesschau.de.

Koffer voller Stoff?

Doch bereits jetzt werden Zweifel laut. Kritiker halten die Regelung für vollkommen unzureichend. So nannte beispielsweise der Wissenschaftler und Dopinggegner Werner Franke in einem Interview das Anti-Dopinggesetz einen „Witz“. „Glauben die denn wirklich, die Sportler spazieren mit Koffern voller Stoff durch die Landschaft?“ Ähnlich äußerten sich jetzt auch mehrere Politiker. Das Anti-Doping-Gesetz bleibe weit hinter dem Nötigen zurück, so der Grünen-Sportexperte Winfried Hermann: „Das ist ein reines Placebo“. Da viele Sportler meist aber nur kleine Mengen von Dopingmitteln mit sich führten, bliebe das Gesetz in vielen Fällen wirkungslos, sagte auch der FDP-Politiker Detlef Parr. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz betonte: Ohne Sanktionen, die auch die gedopten Sportler schmerzten, werde der Anti-Doping-Kampf nicht erfolgreich sein.

"Sonst müssten wir auch Rauchen bestrafen"

Den bloßen Besitz kleiner Mengen von Substanzen, die zum Doping eingesetzt werden könnten unter Strafe zu stellen, sei jedoch ein juristisches Problem, erklärte Schäuble bereits im März dieses Jahres gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“. Oft handele es sich um Medikamente - und da lasse sich die Grenze zur kriminellen Nutzung nur schwer ziehen. „Im Übrigen geht unser Strafrecht von dem Grundsatz aus, dass Selbstbeschädigung nicht justiziabel ist. Sonst müssten wir auch das Rauchen unter Strafe stellen.“

Trotz aller Kritik appellierte der Innenminister nun an den Bundestag, den Anti-Doping-Gesetzentwurf so rasch wie möglich zu verabschieden und an die Länder, Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten. Zudem solle auch die Kronzeugenregelung zur Bekämpfung des Dopings eingesetzt werden. Zugleich machte Schäuble jedoch deutlich, dass er die Mittel der Politik für begrenzt hält: „Die primäre Verantwortung liegt beim Sport“.