Weckers Tournee durch Ostdeutschland "Man hat vor der NPD gekuscht"
Bei seiner Tour durch Ostdeutschland konnte der Liedermacher Konstantin Wecker nicht in Halberstadt auftreten. Politiker hatten das Konzert nach Drohungen der NPD nicht genehmigt. Dies hat allerdings seinen Kampfgeist eher gestärkt, wie Wecker im Interview mit tagesschau.de berichtet.
tagesschau.de: Ihr Konzert in Halberstadt konnte nicht stattfinden. War dies ein Einzelfall auf der Tour?
Konstantin Wecker: In Hoyerswerda wollten wir auch spielen, da haben wir erst gar keine Zusage bekommen. Die Begründung war, es gebe keinen Rechtsradikalismus, und man hätte die Nazis schon alle verjagt. Da habe ich mich schon ein wenig gewundert, ob die jetzt alle in Halberstadt sind.
tagesschau.de: Wie kam es denn überhaupt zu der „Nazis-raus“-Tour?
Konstantin Wecker: Mein junger Kollege Heinz Ratz von „Strom und Wasser“ – ein hervorragender Liedermacher, den ich fördere - hatte mir von seinen Auftritten bei lokalen Antifa-Gruppen [Antifaschistische Aktion, Anmerkung der Redaktion] berichtet und mir den Ärger geschildert, den er oft mit Rechtsradikalen hatte. Und er meinte, es wäre schön, wenn ich mal dabei wäre. Da hab ich gesagt, wir machen eine kleine Tour, zehn Euro Eintritt – also der Selbstkostenpreis. Durch die Konzerte unterstützen wir die örtlichen Gruppen, deren Engagement ich ganz, ganz toll finde. Gruppen, die trotz des Aufstands der Anständigen von der hohen Politik nicht mehr unterstützt werden in ihrer Arbeit. Mein Kollege hat dann die Clubs für die Tournee ausgewählt.
"Man hat vor der NPD gekuscht"
tagesschau.de: Und was ist dann in Halberstadt passiert?
Konstantin Wecker: Mit der lokalen Gruppe in Halberstadt hatte mein Kollege ausgemacht in der Aula des Käthe-Kollwitz-Gymasiums zu spielen. Daraufhin hat die NPD protestiert, dies sei eine Wahlkampfveranstaltung. Das ist natürlich absoluter Blödsinn. Daraufhin hat die Stadt ihr Angebot dort zu spielen zurückgezogen. Einer der Landräte hat sich noch sehr für das Konzert eingesetzt, aber im Endeffekt hat man dann vor der NPD gekuscht. Die haben natürlich massiv gedroht. Nicht nur mit juristischen Mitteln – was ja legitim ist - sondern auch mit Krawallen.
tagesschau.de: Laut offizieller Begründung konnte das Konzert nicht genehmigt werden, da es eine kommerzielle Veranstaltung ist. Was sagen Sie dazu?
Konstantin Wecker: Das war eine absolute Non-Profit-Veranstaltung. Bei zehn Euro Eintritt für den ganzen Aufwand und für die Anlage, da verdienen ich und Heinz Ratz nichts daran.
"Alternativen für Jugendliche anbieten"
tagesschau.de: Was erwarten Sie denn von der Öffentlichkeit, damit solche Dinge wie in Halberstadt und Hoyerswerda künftig nicht mehr passieren?
Konstantin Wecker: Es darf nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden, dass es nach wie vor sogenannte „National befreite Zonen“ gibt, dass es täglich rechtsextreme Übergriffe gibt, die schon fast nicht mehr in der Presse auftauchen, weil sie so selbstverständlich geworden sind. Ich erwarte vor allem Unterstützung für die örtlichen Gruppen, die den Kopf hinhalten und auch Alternativen für Jugendliche anbieten können. 13- oder 14-Jährige in der rechtsextremen Szene sind ja keine ideologisch geschulten Täter, sondern die sind dabei, weil es in ihrem Kreis „in“ ist, weil es kaum andere Angebote gibt. Und das muss man vor Ort auffangen. Dazu sollte die Politik stehen.
tagesschau.de: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Vorkommnissen bei Ihrer Tour?
Konstantin Wecker: Es war wichtig, auch mal unter dem Motto „Antifa“ zu touren. Denn wir wurden schon am Anfang in Halberstadt gebeten, wir sollten auf den Begriff verzichten – und das sehe ich nun überhaupt nicht ein. Wenn das schon ein Reizwort ist und wenn sich eine Partei dadurch beleidigt fühlt, dann frage ich mich: Wer gegen Antifaschismus ist – ist der dann für Faschismus? Ich bekomme solche Sachen sonst gar nicht mit, mache meine Konzerte in den großen Stadthallen. Jetzt merke ich, wie es wirklich ist, was in den Jugendclubs passiert. Eigentlich bin ich dem ja auch schon entwachsen.
tagesschau.de: Geben Sie sich jetzt geschlagen, was ein Konzert in Halberstadt angeht?
Konstantin Wecker: Man darf nicht einknicken. Daher die Überlegung: Wir sollten im Sommer eine größere Veranstaltung machen, beispielsweise ein Open-Air-Konzert. Es gab ja viele Drohungen aus der rechten Szene gegen mich – das hat meinen Kampfgeist eher noch geweckt.
Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de