Kompromiss beim EU-Gipfel Lob und Kritik für Kanzlerin Merkel
Die Einigung beim EU-Gipfel ist in den Regierungsparteien Union und SPD durchgängig begrüßt, in den Reihen der Opposition aber überwiegend kritisch aufgenommen worden. SPD-Chef Beck sprach von großem Fortschritt, die Linksfraktion von "peinlichen Gipfelschiebereien".
Die Einigung beim EU-Gipfel ist in den Regierungsparteien Union und SPD durchgängig begrüßt, in den Reihen der Opposition aber überwiegend kritisch aufgenommen worden.
SPD-Chef Kurt Beck sprach von großem Fortschritt und einem Signal des Aufbruchs. Zwar seien "ein paar Tropfen Wasser zu viel in den Wein geraten", sagte Beck in Hannover. Man müsse aber die Ausgangsbasis mit den Forderungen von Großbritannien und Polen berücksichtigen. Er zollte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier Anerkennung. In einer "unglaublich schwierigen Situation" sei ihnen die Einigung gelungen. "Unseren Respekt und unsere Unterstützung ist das wert", sagte Beck.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla feierte seine Parteivorsitzende: Merkel habe "den europäischen Motor wieder flott gemacht". Ihr zielorientierter und sachlicher Politikstil sei "einmal mehr der Schlüssel zum Erfolg" gewesen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sprach von einer "diplomatischen Meisterleistung" der Kanzlerin.
Grüne: Kein Grund zur Freude
Auf Kritik stieß die Einigung dagegen in der Opposition. Die Grünen kritisierten, die Europäische Union habe massiv an Ansehen verloren. "Die Substanz des Vertrages bleibt unterm Strich erhalten, aber einen Grund zur Freude gibt es nicht", erklärten Fraktionschefin Renate Künast und ihr Stellvertreter Jürgen Trittin. Als positiv hoben sie hervor, dass die Grundrechtscharta erhalten bleibe und das Europäische Parlament gestärkt werde. Sie sprachen von einem "nationalegoistischen Verhalten der polnischen und britischen Regierung".
Linksfraktion: Peinliche Gipfelschieberei
Die Linksfraktion sprach von "peinlichen Gipfelschiebereien mit einem enttäuschenden Ergebnis". Das vom Gipfel beschlossene Mandat für eine Regierungskonferenz wertete ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Ulrich Maurer als "politische Bankrotterklärung". Der Grundrechtskatalog werde zum Vertragsanhängsel degradiert.
FDP: Europa hat gewonnen, aber nicht gesiegt
FDP-Chef Guido Westerwelle monierte, es sei "bedauerlich, dass das Bekenntnis zu einem freien und fairen Wettbewerb an Bedeutung verloren hat". Europa habe gewonnen, aber nicht gesiegt, sagte der FDP-Chef der "Welt am Sonntag". FDP-Vizefraktionschef Werner Hoyer zeigte sich erleichtert, dass eine Totalblockade abgewendet worden sei.
Neuer Grundlagenvertrag wird vorbereitet
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten hatten sich in der Nacht zum Samstag in Brüssel auf den Weg zu einem neuen Grundlagenvertrag als Ersatz für die gescheiterte EU-Verfassung verständigt. Widerstand aus Polen gegen die künftige Stimmengewichtung hatte die Verhandlungen an den Rand des Scheiterns gebracht. Der Vertrag soll nun von einer Regierungskonferenz unter Portugals Vorsitz ausgehandelt und möglicherweise bereits auf dem Oktobergipfel beschlossen werden.