Interview

Interview mit Ulrich Deppendorf "Ein guter Gipfel für Angela Merkel"

Stand: 08.06.2007 10:04 Uhr

G8-Gipfel sind auch heute noch Höhepunkte für die Präsidentschaft des jeweiligen Staates. Deutschland hat zum fünften Mal den G8-Vorsitz inne. War der Gipfel ein Erfolg für Bundeskanzlerin Angela Merkel? Und ist diese Form eines Zusammentreffens von Staats- und Regierungschefs noch zeitgemäß? Fragen an Ulrich Deppendorf, den Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios.

tagesschau.de: War es ein guter Gipfel für Angela Merkel?

Ulrich Deppendorf: Ja, im Endeffekt war es ein guter Gipfel für Angela Merkel. Sie hat sicherlich nicht ihre ganz groß gesteckten Ziele erreicht, was das Thema Klimaschutz anbelangt. Aber sie hat es doch geschafft, diese G8-Gemeinschaft auf das Thema Klimaschutz zu konzentrieren und zu sagen, es muss weitergehen, es muss unter UN-Flagge weitergehen. Das ist ganz wichtig. Wenn das nicht passiert wäre, hätte es keine gemeinsame Erklärung gegeben. Sicher nicht so geglückt ist die Erklärung in Bezug auf die Reduktion der Treibhausgase, da ist noch viel Spielraum. Aber auch hier ist jetzt trotzdem eine höhere Verbindlichkeit drin. Das hat sie schon gut hinbekommen. Das ist eine Erklärung, die man von drei Monaten so nicht erwartet hätte. Und dass der amerikanische Präsident zustimmt, dass das Ganze unter UN-Flagge läuft, da hat sie ihn schon bearbeitet, "rumgekriegt", sozusagen.

tagesschau.de: Man kann also sagen, dass hier auf dem Gipfel wirklich substanziell etwas erreicht wurde, dass nicht schon alles im Vorfeld geklärt wurde und die Regierungschefs wirklich verhandelt haben?

Deppendorf: Das glaube ich schon, dass hier ein substanziellerer G8-Gipfel stattgefunden hat als der ein oder andere zuvor. Die Staats- und Regierungschefs haben schon was erreicht. Sie haben auch - zum ersten Mal - die Schwellenländer viel mehr miteinbezogen. Auch das wollen sie intensivieren, weil sie merken, sie als G8-Länder können die Probleme auf Dauer nicht mehr alleine lösen.

"Keine Neuauflage des Kalten Krieges"

Man hat ja auch geglaubt, das Raketenschutzschild-Thema käme hier hoch, das ist aber im Vorfeld und auch während des Gipfels wieder etwas runtergefahren worden. Da hat Putin nachgegeben und den Vorschlag gemacht, gemeinsam mit Aserbaidschan ein Raketenabwehrsystem aufzubauen - und der amerikanische Präsident hat das ja noch nicht einmal abgelehnt. Also da ist Bewegung drin - auf jeden Fall ist es nicht zu einer Neuauflage des "Kalten Krieges" gekommen. Das ist vorbei, von daher ist auch das substanziell.

tagesschau.de: Was war Ihr Eindruck von der Stimmung auf diesem Gipfel? Wir haben gesehen wie Blair mit Bush während des Treffens mit den Teilnehmern der J8-Runde scherzte, wie sich Putin und Bush herzlich die Hand schüttelten. Ist das alles nur Show?

Deppendorf: Es ist sicherlich auch ein großes Stück Show dabei. Aber, und das hat mir Angela Merkel gesagt, für sie sind diese Tage mit den anderen G8-Chefs die intensivsten Tage, die sie erlebt. Ganz alleine sitzen, wenn überhaupt, nur noch einen Dolmetscher dabei. Es gibt keine Veranstaltung, bei der man die Mitspieler so nah kennen lernt, merkt, wie sie reagieren, auch keine Veranstaltung, auf der man so intensiv diskutiert. Das ist schon etwas Besonderes. Natürlich mögen sich die Leute mal mehr und mal weniger.

Ich glaube, im Moment läuft es ganz gut zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, der sie auch sehr unterstützt hat. Bush und Putin sind durchaus auch zwei die sich respektieren. Vorgestern haben sie nicht so fröhlich geguckt, da waren sie noch ein bisschen reservierter, gestern war es dann schon wieder etwas offener, das ist dann auch etwas für die Kameras, gar keine Frage. Aber man muss auch sehen, dass der amerikanische Präsident Bush Putin auf seine Ranch eingeladen hat, auch in sein Elternhaus, das ist schon etwas Besonderes.

tagesschau.de: Eine Frage zu den Arbeitsbedingungen der Journalisten: Es gab viel Kritik, es gab Viele die sagten, es sind unmögliche Arbeitsbedingungen, mit der "Molli" (einspurige Dampfbahn, d. Red.) hin- und herzufahren zwischen Kühlungsborn und Heiligendamm. Wie waren Ihre Arbeitsbedingungen?

Deppendorf: Die Arbeitsbedingungen für Fernsehanstalten waren gut, das lief sehr reibungslos. Die Frage: "Kommst du heute und wie kommst du heute zum Tagungsort", die hat schon genervt - aber das wusste man vorher, da musste sich jeder drauf einstellen. Auf der anderen Seite hatte es ja auch etwas Schönes: Ich glaube, jeder der Journalisten, der mit diesem Zug fuhr, hat diesen Zug fotografiert. Der hatte schon was. Aber es war schon beschwerlicher als vielleicht bei anderen Gipfeln.

Insgesamt war die Organisation aber gut. Das Pressezentrum war hervorragend ausgestattet und auch wir können nicht klagen: Wir haben sehr viele Kamera-Positionen besetzen können, die wir besetzen wollten, und bei einigen spontanen Interviews - wie dem Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel - klappte es reibungslos.

tagesschau.de: Sollte man also die G8-Gipfel weiterführen – auch in dieser Form?

Deppendorf: Ich glaube schon, dass man den G8-Gipfel weiterführen muss, das halte ich schon für sinnvoll. Ich halte es auch für sinnvoll, dass die Anzahl der Teilnehmer langsam erweitert wird, dass noch einige Schwellenländer dazukommen, das will man ja auch. Aber es ist auch abstrus, dass acht Leute zusammensitzen und 16.000 Polizisten müssen sie schützen. Die Alternative wären Flugzeugträger oder Inseln.

Ich glaube, die Zeiten, wo sich sechs oder acht Herren in einem Herrenhaus treffen und fröhlich Cognac trinken und Zigarre rauchen und über die Dinge des Lebens nachdenken, die sind vorbei. Daher sehe ich zu dieser Art von Gipfeln keine Alternative.

Die Fragen stellte Jörg Sadrozinski, tagesschau.de