Feuerwehr wirbt um Migranten Die fünf Notruf-Ws auf Türkisch
Migranten ins öffentliche Leben besser einbinden - das war das Ziel des Integrationsgipfels, der im Kanzleramt tagte. Aysel Özdemir ist Feuerwehrfrau "auf dem Dorf". Im Interview mit tagesschau.de erzählt sie, wie es dazu kam und wo die Vorteile liegen - für alle Beteiligten.
tagesschau.de: Warum sind so wenige Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund in der Freiwilligen Feuerwehr engagiert, nämlich nur etwa ein Prozent der rund eine Million freiwilliger Feuerwehrleute?
Aysel Özdemir: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man sich gegenseitig fremd ist. Die Migranten wissen oft nicht, dass es in Deutschland eine Feuerwehr auf freiwilliger Basis überhaupt gibt. Oft vermuten sie, wie in den meisten Ländern üblich, einen militärischen Hintergrund, und das schreckt sie eher ab. Und meistens ist auch nicht bekannt, dass die Freiwillige Feuerwehr auch für Migranten zugänglich ist.
tagesschau.de: Gibt es auch Berührungsängste, weil die Freiwillige Feuerwehr eine typisch deutsche Einrichtung ist?
Özdemir: Ja, und auch eine traditionsreiche. Meistens ist es ja so, dass die Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr eine echte Familienangelegenheit ist. Von den Großeltern über die Eltern bis hin zu Kindern und Enkeln - alle engagieren sich. Da ist der Eingewanderte aus der zweiten Generation einfach im Nachteil. Seine Familie hat eine solche Tradition noch gar nicht aufbauen können.
tagesschau.de: Was versprechen sich die Feuerwehren davon, mehr Migranten zu integrieren? Und wo könnte der Vorteil für die Migranten liegen?
Özdemir: Die Feuerwehr kann den Sprachvorteil der Migranten nutzen und im Einsatzfall möglicherweise eine Sprachbarriere überwinden. Migranten können die Probleme in der Muttersprache erläutern und entsprechende Anweisungen geben. Das kann die Menschen unter Umständen richtig beruhigen. Dieses Wissen: Aha, die verstehen uns. Die wissen, worauf es bei uns ankommt. Die richten sich danach. Die Migranten können so auch ihren eigenen Leuten helfen. Und: Ein ehrenamtliches Engagement wird auch vom Arbeitgeber oder bei der Jobsuche gern gesehen.
tagesschau.de: Die Freiwilligen Feuerwehren haben Nachwuchssorgen. Inwieweit ist die Integration auch Mittel zum Zweck, um Personalprobleme zu lösen?
Özdemir: Da muss man unterscheiden. Die Jugendfeuerwehren haben keine großen Nachwuchssorgen. Alle Kinder begeistern sich für große rote Autos. Kinder haben auch keine große Scheu, eine Andersartigkeit oder ein Problem einfach anzusprechen. Ich kenne viele Jugendliche, denen es noch nicht mal auffällt, dass ihr Nachbar einen Migrationshintergrund hat. Der kommt, macht die Übungen mit und fährt dann wieder nach Hause, wie alle. Die Scheu kommt mit dem Alter, leider. Und eben in dieser Ausbildungszeit, so mit 17,18 Jahren, steigen viele auch aus. Der zeitliche Druck ist dann oft zu groß.
Brandschutzaufklärung in der Moschee für mehr Integration
tagesschau.de: Sie haben an einem Leitfaden für Integration der Freiwilligen Feuerwehr mitgearbeitet. Inwieweit sind dort Ihre positiven wie negativen Erfahrungen eingeflossen?
Özdemir: Der Leitfaden soll die Freiwillige Feuerwehr dafür sensibilisieren, auf Migranten und ihre Vereine zuzugehen, um eine Kontaktaufnahme zur Feuerwehr zu ermöglichen. Da kann die Feuerwehr zum Beispiel einen "Tag der offenen Tür" im Rahmen einer Migrantenveranstaltung anbieten. Oder die Feuerwehr betreibt Brandschutzaufklärung in einer Moschee. Wir haben das bei uns im Schwalm-Eder-Kreis in Hessen jetzt in drei Moscheen gemacht, jedes Mal mit großem Erfolg. Wir haben jeweils die Frauen und Kinder und die Männer eingeladen und ihnen das richtige Absetzen eines Notrufes auf Türkisch und auf Deutsch erklärt: Wie muss ich mich ausdrücken, damit ich auf der Leitstelle richtig verstanden werde? Was sind die fünf Notruf-Ws? Welche Angaben muss ich machen?
- Wo ist es passiert?
- Was ist passiert?
- Wieviele Verletzte/Erkrankte?
- Welche Art von Verletzten/Erkrankten?
- Warten auf Rückfragen durch den Notruf-Mitarbeiter
tagesschau.de: Was hat Sie als Frau mit Migrationshintergrund veranlasst, sich zu engagieren?
Özdemir: Ich war auf der Suche nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung. Da gab es bei uns auf dem Dorf genau zwei Möglichkeiten: den Fußballverein und die Freiwillige Feuerwehr. Also bin ich Anfang der 90er-Jahre zusammen mit meinem Bruder in die Feuerwehr eingetreten. Dadurch konnten viele Vorurteile abgebaut werden, auch was meine Kultur und meine Religion betrifft, was zum Beispiel den Umgang mit Schweinefleisch angeht. Der eine isst es, der andere nicht. Auf dem Grillabend hatte ich dann ein Problem, weil es nur einen Grill gab. Ich konnte dann aber erklären, dass ich einen separaten Grill brauche, weil ich kein Schweinefleisch esse und auch kein anderes Fleisch, das mit Schweinefleisch in Berührung gekommen ist.
tagesschau.de: Was würden Sie sich als Perspektive für die nächsten fünf Jahre wünschen?
Özdemir: Ich wünsche mir, dass viel mehr Deutsche und Migranten gemeinsam zum Einsatz kommen. Die Feuerwehr muss Abbild der Gesellschaft sein.
Das Interview führte Ute Welty, tagesschau.de