Experten legen Empfehlung vor Reform soll Notfallversorgung entlasten
Die Zahl der Notfallpatienten ist deutlich gestiegen, Ambulanzen sind oft überfüllt. Eine Expertenkommission macht Vorschläge, wie medizinisches Personal entlastet werden kann. Die Reform hat zwei Kernpunkte.
Während in der Gesundheitsbranche bereits ohnehin seit Jahren Fachkräfte fehlen, ist die Zahl von Notfallpatienten in Deutschland zuletzt deutlich gestiegen. 2019 wurden 27,8 Millionen Notfälle versorgt - drei Millionen mehr als noch 2009. Allein die Zahl der vom Krankenhaus behandelten Notfallpatienten stieg innerhalb von zehn Jahren um knapp 30 Prozent auf 14,9 Millionen.
Die Folgen sind überfüllte Notfallambulanzen in Krankenhäusern, überlastetes Personal und wegen stundenlanger Wartezeiten genervte Patienten. "Das System bricht zusammen", betonten Vertreter von Feuerwehr, Notärzten und Caritas im Dezember.
Lauterbach: "Strukturen aufbrechen und neu ordnen"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Beschäftigten in der Notfallversorgung mithilfe einer Reform entlasten. "Patienten in Not schnell und effektiv zu helfen, ist Ziel einer guten Akutversorgung", sagte er. "Dafür müssen wir vorhandene Strukturen aufbrechen und neu ordnen."
Die Vorschläge legte eine vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzte Expertenkommission vor. Im Zentrum stehen demnach der Aufbau eines neuen Leitsystems für Notrufe und die Einrichtung so genannter integrierter Notfallzentren an mehr als 400 Krankenhäusern.
Integrierte Leitstelle ...
Wer die Notfallnummer 112 oder die Nummern des ärztlichen Bereitschaftsdiensts (116117) wählt, soll künftig nach Empfehlung der Experten zunächst bei einer neuen Integrierten Leitstelle (ILS) landen. Diese Leitstelle soll die Anruferin oder den Anrufer dann an die "für sie am besten geeignete Notfallstruktur" vermitteln, wie das Ministerium erklärte. Medizinisch qualifizierte Fachkräfte sollen die Leitstellen besetzen.
Diese Fachkräfte sollen eine standardisierte und wissenschaftlich fundierte Ersteinschätzung des Notfalls vornehmen, erklärte das Ministerium. So solle "eine Über- oder Unterversorgung von Notfällen verhindert werden" - also zum Beispiel Fälle, in denen Menschen in der Notaufnahme von Krankenhäusern landen, obwohl dies medizinisch gar nicht nötig ist.
... und integrierte Notfallzentren
An Krankenhäusern sollen Lauterbach zufolge Integrierte Notfallzentren (INZ) Patienten steuern. Diese INZ sollen aus der Notaufnahme des Krankenhauses, einer kassenärztlichen Praxis sowie einer zentralen Entscheidungsstelle bestehen. Hilfesuchende, die in die Kliniken kommen, sollen künftig an dieser Entscheidungsstelle je nach Schwere ihrer Erkrankung oder Verletzung entweder in die Notaufnahme oder in die Praxis weitergeleitet werden.
Krankenhäuser und Kassenärzte sollen verpflichtet werden, sich an den Notfallzentren zu beteiligen. "Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden." Für kinder- und jugendmedizinische Fälle sollen eigene Notfallzentren aufgebaut werden.
Lauterbach zeigte sich mit den Empfehlungen der Kommission zufrieden: Sie seien eine "gute Grundlage" für eine Reform. Der Leitgedanke dabei sei, "dass Versorgung dort stattfindet, wo sie medizinisch auch sinnvoll ist", sagte er.
Zuspruch von der AOK
Auch die Krankenkasse AOK begrüßte die Vorschläge: "Die Patientinnen und Patienten brauchen endlich eine zentrale Anlaufstelle und eine Notfallversorgung aus einer Hand", erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. "Mit der Schaffung von Integrierten Leitstellen und der Bündelung der Notfallversorgung in Integrierten Notfallzentren zeigt die Reformkommission den richtigen Weg auf."
Zugleich forderte sie, dass die Integrierten Notfallzentren an den Krankenhäusern ein eigenständiges Budget erhalten sollten. Nur so könne garantiert werden, dass "ohne ökonomische Beeinflussung und nach medizinischen Kriterien die richtige Versorgungsebene angesteuert wird".