FDP-Verluste in NRW Kein Regierungsbonus
Für die FDP ist die Schlappe bei der NRW-Wahl die dritte in Folge bei Landtagswahlen. Vor allem die Älteren sind den Liberalen von der Fahne gegangen. Ein Grund dürfte die Energiepreispauschale des Bundes sein.
Das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen trifft die FDP hart und Parteichef Christian Lindner auch ganz direkt. "Es ist für uns ein sehr trauriger Abend", räumt er schon am Sonntag in seinem Statement ein, "und ich sage das ganz persönlich, nachdem ich 2012 und 2017 als Spitzenkandidat die FDP in den Landtag führen durfte." Lindner holte 2017 mit 12,7 Prozent in NRW das beste FDP-Ergebnis der Geschichte und die Liberalen regierten mit der CDU.
Im aktuellen Wahlkampf engagierte sich Lindner stark vor Ort. Und dann doch der Absturz auf 5,9 Prozent. Als am Wahlabend die ersten Prognosen verkündet werden, müssen die Freien Demokraten im Berliner Genscher-Haus zunächst gar um den Wiedereinzug in den Düsseldorfer Landtag bangen. Bis 19:15 Uhr, nach der letzten Hochrechnung, wartet Lindner mit seinem Statement. Um Klarheit zu bekommen, in welche Richtung es gehe, sagt er. Knapp drin in NRW. Aber es ist trotzdem die dritte Niederlage seit der Bundestagswahl in Folge.
Bei der Saar-Wahl kam die Partei nicht in den Landtag, in Schleswig-Holstein wurde sie fast halbiert und in Lindners Heimat NRW landet die FDP gerade knapp vor der AfD. Ganz untypisch für Lindner macht er nach dem Statement keine Interview-Runde vor den Kameras. Er verschwindet von der Bühne schnell in die Hinterzimmer. Am Montagvormittag heißt Lindners Devise "Kopf hoch": "Heute ist ein neuer Tag. Die Tränen sind getrocknet und jetzt stellt die Partei der Eigenverantwortung sich den Gründen für diese Niederlage."
In der Rolle als Regierungspartei nicht angekommen?
Das desaströse Ergebnis, wie die FDP es selbst nennt, hat Gründe an Rhein und Ruhr, aber auch an der Spree in Berlin. Schon länger sagten Umfragen ein Ende von Schwarz-Gelb in Düsseldorf voraus. Im Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD wollten offenkundig viele FDP-Anhängerinnen und -Anhänger der CDU den Rücken stärken. 260.000 Wähler verloren die Liberalen an die Christdemokraten.
Umfragen sahen eine große Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung. Doch die FDP hatte das Bildungsressort - generell undankbar für Parteien und in Corona-Zeiten, besonders unter Druck. Bei der Schulpolitik zeigte sich Unzufriedenheit in der Pandemie, konstatiert Linder am Tag nach der Wahl.
Und auch der Corona-Kurs der FDP im Bund war umstritten: Viele FDP-Anhänger waren für die Impfpflicht, die dann nicht kam, und gegen zu schnelle Lockerungen, die die FDP vorantrieb. Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der Freien Universität Berlin sagt: "Die FDP hat häufig ablehnende Positionen bezogen. Bei der Impfpflicht etwa hatte die Partei keine einheitliche Haltung. Die Corona-Politik wird ihr gerade von älteren Wählern und Wählerinnen negativ angekreidet."
Die Älteren hat die FDP auch selbst als Quelle des Ungemachs identifiziert, aber wegen eines anderen Themas: Die Entlastungen bei den Folgen des Kriegs gegen die Ukraine. "Dramatisch" sei der Einbruch bei den Älteren, auch in Schleswig-Holstein, gesteht Lindner ein. Weil es der Regierung nicht gelungen sei, die Frage der Gerechtigkeit befriedigend zu beantworten.
Entlastungspauschale keine Idee der FDP
Im Wahlkampf seien die Freien Demokraten oft gefragt worden, warum es die Energiepreispauschale nicht für Rentnerinnen und Rentner gebe. Für den FDP-Finanzminister gleich doppelt schlimm. Erst muss er wegen Corona und Krieg Milliardenschulden auftürmen. Und die Wählerinnen und Wähler danken es seiner Partei nicht. Im Gegenteil.
Lindner fühlt sich zu Unrecht bestraft. Er verweist darauf, dass die Energiepreispauschale, die die Rentner außen vor lässt, keine Idee der FDP gewesen sei. Ein Seitenhieb gegen den Regierungspartner SPD. In der Koalition ruckelt es des Öfteren. Noch am Freitag vor der NRW-Wahl düpieren FDP-Bundestagsabgeordnete den Kanzler, in dem sie die Sitzung des Verteidigungsausschusses vor ihm verlassen. Scholz habe Fragen nicht beantwortet, heißt es zur Begründung. Krach in der Koalition ist nicht förderlich für das Erscheinungsbild.
Politikwissenschaftlerin Kropp sagt:
Die FDP ist in der Rolle als Regierungspartei nicht vollständig angekommen. Sie nimmt selbst in der Koalition teilweise die Rolle einer Opposition wahr, etwa in der Verteidigungspolitik mit der Kritik am Kanzler. Das hat auch damit zu tun, dass ihr aktuelles Spitzenpersonal in den Ländern und im Bund seit Jahren relativ wenig Regierungserfahrung hat.
Wie weiter in der Ampel?
Die Ampel-Koalition war für die FDP "nie der Wunschtraum", wiederholt Lindner am Montag das bekannte Grundproblem der Liberalen mit dem Bündnis mit SPD und Grünen. Das Unbehagen dürfte wachsen. Denn nun hat es den Anschein, dass die FDP nicht profitiert vom Regieren. Die Grünen ziehen vorbei - sowohl in der Beliebtheit ihrer Spitzenpolitiker als auch bei den Wahlergebnissen in den Ländern. 100.000 Wählerinnen und Wähler verlor die FDP in NRW an die Grünen.
Kommt von der FDP nun mehr klare Kante in der Ampel-Regierung? Parteichef Lindner mahnt seine Freien Demokraten zur Zurückhaltung bei der eigenen Profilierung. "Im Zentrum steht nicht das parteipolitische Interesse der FDP, im Zentrum muss jetzt der Amtseid stehen, den wir als Regierungsmitglieder geleistet haben. Im Zentrum steht jetzt das Land und nicht kleine oder größere Geländegewinne für die FDP."
FDP muss in der Ampel "sichtbarer" werden
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, er könne für die Bundesebene "nicht erkennen, dass wir an Zustimmung verlieren". Umfragen sähen die FDP im Bund zwischen acht und zehn Prozent. "Aber nichtsdestotrotz - auch in Berlin muss ganz klar die Handschrift der FDP erkennbar sein. Ich möchte, dass meine Partei auch sichtbarer ist in der Koalition. Das ist mir wichtig. Daran werden wir arbeiten."
Politikwissenschaftlerin Kropp sieht weitere Konflikte auf die Ampel zukommen, weil klar sei, dass sich das Kräftegewicht in der Ampel nach den Niederlagen für SPD und FDP nach den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zugunsten der Grünen verschoben habe. "Das macht das Regieren in der Ampel nicht einfacher. Die FDP steht nun vor der Frage, ob sie sich in der Regierung kritisch positioniert wie eine Opposition oder ob sie eher geräuschlos die Geschlossenheit der Dreier-Koalition und damit deren Erfolg stärkt."