Entscheidung des OLG München "Für die Opfer wirbelt das alles durcheinander"
Ein Wochenende hat sich das OLG München Zeit gelassen, um dann zu entscheiden: Die Plätze für Journalisten im NSU-Prozess werden neu vergeben. ARD-Rechtsexperte Bräutigam kritisiert im Interview: Der Prozessbeginn hätte dafür nicht verschoben werden müssen. Die Folgen für die Vertreter der Opfer seien gravierend.
tagesschau.de: Was bedeutet die Entscheidung des OLG München für das Akkreditierungsverfahren?
Frank Bräutigam: Das OLG München möchte das Akkreditierungsverfahren noch einmal komplett neu starten. Das Bundesverfassungsgericht hatte ja mehrere Optionen auf den Tisch gelegt: Man hätte auch drei Plätze zusätzlich für bestimmte ausländische Medien zur Verfügung stellen können, aber das OLG hat sich für die große Lösung entschieden und möchte noch einmal alles auf Null stellen. Es wird spannend zu sehen, nach welchen Regeln das entschieden wird.
tagesschau.de: Kann aber bedeuten, dass einzelne Medien ihren Platz wieder verlieren?
Bräutigam: Das ist möglich. Ich weiß nicht, ob das OLG in der zweiten Runde mehr Medienplätze vergeben wird. Wenn die Zahl insgesamt gleich bleibt, kann es sein, dass nach einem neuen Verfahren Medien, die bislang Plätze sicher hatten, nicht mehr zum Zuge kommen. Es muss allerdings sicher sein, dass Medien mit einem besonderen Opferbezug zumindest drei Plätze bekommen. Diese Vorgabe hat das Bundesverfassungsgericht gemacht, und diese Vorgabe muss das OLG berücksichtigen.
tagesschau.de: Warum hat sich das OLG für diesen Weg entschieden?
Bräutigam: Auf der Pressekonferenz gab es für dieses Vorgehen keinerlei Begründung, deshalb kann man nur mutmaßen. Möglicherweise hat man sich wegen der harten Kritik entschieden, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Diese Begründung sollte das Gericht aber noch nachliefern.
"Der Prozess stellt eine große Belastung dar"
tagesschau.de: Was bedeutet die Verschiebung für die Angehörigen der Opfer?
Bräutigam: Ich kann mir vorstellen, dass das emotional als auch organisatorisch für die Vertreter der Opfer extrem schwierig ist. Dieser Prozess stellt für sie eine große Belastung dar - was geschehen ist, geht den Menschen sehr nah. Da ist so ein Datum, das näherrückt, auch ein emotionaler Moment. Außerdem werden viele bereits Reisen und Hotels gebucht haben und müssen das alles nun zurückdrehen - für die Vertreter der Opfer wirbelt das alles durcheinander.
tagesschau.de: Hat das OLG München eine kluge Entscheidung getroffen?
Bräutigam: Ich hätte nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit gesehen, zumindest drei Zusatzplätze in einem neuen Verfahren bis zum Prozessbeginn zu vergeben. Natürlich hätte man diese Plätze von Freitag auf Mittwoch ausschreiben müssen. Aber es hätte sich doch nur um eine Ausschreibung in einem kleinen Bereich gehandelt. Dann hätte der Prozess wie geplant am 17. April beginnen können, und alle Beteiligten hätten den normalen Fahrplan einhalten können. Karlsruhe hatte ja dem Gericht diese Option vorgelegt und ihm Ermessen eingeräumt. Die Verantwortung für den jetzt gewählten Weg trägt allein das OLG München.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de