Screenshot aus dem sogenannten Ibiza-Video
Interview

Interview zum Strache-Video "Wo gab es da eine Privatsphäre?"

Stand: 20.05.2019 14:21 Uhr

Ein heimlich gedrehtes Video bei einem inszenierten Treffen, veröffentlicht von Journalisten: War das erlaubt? "Correctiv"-Chefredakteur Schröm sagt Ja. Im Interview mit tagesschau24 erklärt er aus der Sicht eines Journalisten, warum.

tagesschau24: Ein inszeniertes Treffen, ein Lockvogel, heimliche Ton- und Bildaufnahmen. Oliver Schröm ist Chefredakteur des Recherchekollektivs "Correctiv", das sich dem investigativen Journalismus verschrieben hat. War das Ihrer Meinung nach erlaubt?

Oliver Schröm: Ich glaube, da muss man differenzieren. Die Verwendung des Materials ist rechtens. Journalisten können Material benutzen, auch wenn es illegal zustande kam oder entwendet wurde. Da gelten zwei Voraussetzungen: Das Material muss authentisch in Ordnung sein, also nicht geschnitten, und es muss Relevanz haben, also von öffentlichem Interesse. Hier waren beide Punkte gegeben. Von daher war die Verwendung des Materials absolut rechtens und ist übrigens auch gerichtlich abgedeckt.

Wir haben bei "Correctiv" vor wenigen Wochen ein Urteil vor dem OLG Köln erstritten. Da ging es um die Verwendung von Mitschnitten einer Konzernsitzung, in der auch Korruptionsabsprachen stattgefunden haben. Das Gericht hat eindeutig entschieden, bei übergeordnetem öffentlichen Interesse und Relevanz sind solche Materialien zu verwenden oder man kann sie verwenden.

tagesschau24: Die Verwendung ist ja das eine, aber die Entstehung ist das andere. War das denn auch in Ordnung?

Schröm: Wenn es Journalisten gewesen wären, die die Falle gestellt hätten, wäre es nicht in Ordnung. Denn wir Journalisten haben die Realität abzubilden, aber wir haben nicht irgendwelche Realitäten zu schaffen. Wir haben vor wenigen Monaten bei "Correctiv" in Zusammenarbeit mit Panorama auch mit versteckter Kamera gearbeitet. Da ging es um Cum-Ex-Geschäfte. Wir haben einen Trader getroffen, aber wir haben ihn nicht in eine Falle gelockt.

Da lag ein Angebot vor, und wir haben dann nur überprüft, wie sehr das Angebot statthaft ist, wie welche Materialien zu erwarten sind, und wer die Hintermänner sind. Wir haben uns mit diesem Mann getroffen und dieses Treffen auch mit versteckten Kameras gedreht. Aber wir haben diese Geschichte nicht inszeniert und ihn nicht in eine Falle gelockt.

tagesschau24: Dieses Video, das nun auf Ibiza entstanden ist, war das denn auch redlich?

Schröm: Wir wissen nicht, wer das war. Wären es Journalisten gewesen, wäre es nicht redlich, weil wir Journalisten keine Falle zu stellen haben, sondern wir haben Realitäten abzubilden. Wir können nicht irgendwas inszenieren. Andererseits: Die Aussagen in dem Video sind eindeutig, ein Vizekanzler eines europäischen Staates hat Korruptionsabsichten angedeutet und Missbrauch von Staatsgeldern. Mehr Relevanz für eine Veröffentlichung kann es wohl nicht geben.

tagesschau24: Und was ist mit den Persönlichkeitsrechten Straches und auch mit dem Datenschutz?

Schröm: Ich weiß nicht, wo der Vizekanzler seine Persönlichkeitsrechte haben soll, wenn er über Korruption nachdenkt und Staatsaufträge vergeben will an irgendwelche Finanziers. Ich fand es sehr, sehr bedenklich, was er geäußert hat. Er hat über schwarze Kassen geredet, über Geldflüsse für namhafte Unternehmen. Dieses Video ist sogar Anlass für Untersuchungsausschüsse und strafrechtliche Ermittlungen.

tagesschau24: Nun hat ja der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink gesagt, man verletze mit so einem Video die Privatsphäre eines Politikers. Man hintergehe ihn. Was macht das denn mit der politischen Kultur, wenn Politiker immer damit rechnen müssen, abgehört zu werden?

Schröm: Ich weiß nicht, wo es da Privatsphäre gibt, wenn sich ein Vizekanzler mit einer Oligarchie-Frau trifft und über Korruption nachdenkt, wie man Zeitungen kauft, wie man Staatsaufträge im Gegenzug vergibt. Was hat es mit Privatsphäre zu tun? Der Mann war nicht als Privatier dort, sondern als Politiker und wollte politische Geschäfte einfädeln.

tagesschau24: Wo liegen da die Grenzen für Journalisten?

Schröm: Ich glaube, die Kollegen von der "Süddeutschen Zeitung" und vom "Spiegel" haben da sehr, sehr sauber und differenziert gearbeitet. Sie haben nur die Passagen veröffentlicht, die von politischer Relevanz waren, die von öffentlichem Interesse sind. Irgendwelche privaten Andeutungen oder Äußerungen, die es sicherlich bei diesem Gespräch auch gegeben hat, wurden nicht veröffentlicht. Von daher haben die Kollegen genau die Trennschärfe eingehalten.

tagesschau24: Wer hinter dem Video steckt, ist bisher nicht bekannt. Was vermuten Sie denn?

Schröm: Da könnte ich jetzt nur spekulieren und das ist nicht mein Job.

Das Interview führte Kirsten Gerhard.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 20. Mai 2019 um 11:00 Uhr.