Verfassungsgericht zu Bundestagsbeschluss Keine Patentlösung
Das europäische Einheitspatent soll Unternehmen beim Anmelden ihrer Erfindungen Zeit und Geld sparen. Wegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat das Projekt nun aber einen schweren Rückschlag erlitten.
Es sieht auf den ersten Blick so aus, als ginge es nur um eine Sache für Spezialisten: Da legt ein Anwalt Verfassungsbeschwerde ein, weil er findet, dass die Grundlagen für das europäische Patentgericht nicht stimmen. Aber beim näheren Hinsehen zeigt sich: Es geht um etwas ganz Grundsätzliches.
Das Verfassungsgericht traf eine Entscheidung, die weit über Patentfragen hinausgehen. Kern ist: Wie viel Macht darf Deutschland auf internationale Organisationen übertragen? Wenn das passiert, welche Sicherungen sind dafür notwendig? Und: Kann ein einzelner sich an die Gerichte wenden, um das Ganze zu stoppen?
Internationales Gericht, das alles überwacht
Der Anwalt wandte sich an das Bundesverfassungsgericht, um eben das deutsche Gesetz zu stoppen, das ein einheitliches Patentgericht für Europa erlauben sollte. Also ein Gericht, das zum Beispiel überprüft, ob eine Firma zu Recht ihr Produkt hat schützen lassen.
Für die Wirtschaft sind das wichtige Fragen: Kann ich exklusiv eine Sache herstellen und verkaufen? Oder muss ich damit rechnen, dass mein Konkurrent das Produkt billiger auf dem Markt anbietet? Solch ein Patent für ganz Europa kann den Unternehmen ihre Arbeit sehr erleichtern. Deswegen wurde lange Zeit über die Reform der Patente in Europa diskutiert.
Teil der Reform ist ein internationales Gericht, das alles überwacht. Was besonders heikel ist: Deutsche Gerichte könnten, wenn dieses internationale Gericht erstmal arbeitet, nichts mehr entscheiden. Eine Firma, die ein Problem mit einem Patent hat, könnte sich nur noch an das europäische Patentgericht wenden, nicht mehr an ein deutsches Gericht. Dass die Verfassungsrichter mit dieser Konstruktion ein Problem haben, zeigte sich bereits 2017. Sie stoppten die Zustimmung zu dem internationalen Vertrag vorläufig, was die Experten ziemlich alarmierte.
Eingriff in das Grundgesetz
Heute trafen sie nun die endgültige Entscheidung. Die Richter sagen: Das Gesetz ist nichtig, so kann man es nicht machen. Wenn ein internationales Gericht geschaffen werde und deutsche Gerichte nichts mehr zu sagen hätten, würde damit faktisch das Grundgesetz geändert. In der Verfassung sei genau beschrieben, wer Rechtsstreitigkeiten klärt, und das könne der Bundestag nicht einfach mit einem ganz normalen Gesetz abändern.
Für Eingriffe in die Verfassung müssten zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. Bei der Abstimmung im Bundestag hätten damals aber nur etwa 35 Personen mitgemacht. So geht es nicht, sagen die Verfassungsrichter - und die Empörung ist deutlich spürbar. Wenn es so sein soll, dass deutsche Gerichte in bestimmten Bereichen nichts mehr zu sagen haben, dann muss die große Mehrheit der Abgeordneten das laut Verfassungsrichter ausdrücklich absegnen.
Politik ist vorgewarnt
Die Folge ist jetzt: Das Gesetz zur Zustimmung über ein europäisches Patentgericht muss noch einmal in den Bundestag. Einiges spricht dafür, dass dann auch eine Zwei-Drittel-Mehrheit so ein neues internationales Gericht absegnet.
War die Entscheidung der Verfassungsrichter also nur ein Sturm im Wasserglas? Nein. Denn die Politik ist vorgewarnt: Soll Macht an internationale Organisationen abgegeben werden, muss das sehr ernst genommen werden. Notfalls kann ein Einzelner mit seiner Verfassungsbeschwerde dafür sorgen, dass alle Abgeordneten sich noch einmal mit einer Sache befassen müssen.
Genau diese Frage - ob ein Einzelner das Recht hat, mit seiner Verfassungsbeschwerde alles überprüfen zu lassen - war allerdings sehr umstritten im Karlsruher Senat. Nur eine knappe Mehrheit von fünf Richtern war dafür. Drei gaben ein Minderheitenvotum ab. Das geht zu weit, sagt die Minderheit.
Wenn jetzt Einzelpersonen auch schon klagen können, weil irgendein Abstimmungsverfahren nicht eingehalten wurde, werden Abgeordneten sicherheitshalber immer mit Zwei-Drittel-Mehrheit abstimmen wollen - was aber bei politisch hoch umstrittenen Fragen nicht immer klappt. Also wird der Spielraum für die Politik kleiner, und das wolle das Verfassungsgericht nicht, sagen die unterlegenen Richter. Das Verfassungsgericht sollte die Möglichkeiten für politische Gestaltung nicht unnötig erschweren.
Aktenzeichen: 2 BvR 739/17