Umgang mit Flüchtlingsfamilie Polens Grenzschutz wirft deutscher Polizei "Willkür" vor
Deutsche Polizisten haben eine afghanische Flüchtlingsfamilie zurück nach Polen gebracht. Über die Details gibt es Streit zwischen beiden Ländern. Polens Regierungschef Tusk will den "inakzeptablen" Vorfall mit Kanzler Scholz erörtern.
Polens Grenzschutz hat der deutschen Bundespolizei vorgeworfen, eine Familie von Asylbewerbern aus Afghanistan ohne Rücksprache über die Grenze gebracht und auf der polnischen Seite abgesetzt zu haben.
"Die Verbringung von Ausländern nach Polen durch die deutsche Polizei erfolgte unter Verstoß gegen die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen den beiden Dienststellen und gegen das Überstellungsgesetz", schrieb der Grenzschutz auf der Plattform X. "Die deutschen Behörden dürfen so eine Entscheidung nicht willkürlich treffen."
Die Internet-Nachrichtenseite Chojna24 hatte zuvor Aufnahmen veröffentlicht, die zeigen sollen, wie ein deutscher Polizeiwagen am Freitagmorgen auf polnisches Territorium fuhr und auf einem Parkplatz im Ort Osinow Dolny fünf Ausländer absetzte. Bei ihnen handelt es sich offenbar um zwei Erwachsene und drei Kinder. Nach Angaben von Augenzeugen, die von der Website zitiert wurden, fuhr der Transporter danach sofort wieder nach Deutschland. Passanten alarmierten die polnische Polizei und den Grenzschutz, welche die Menschen versorgten.
Bundespolizei: Polen reagierte nicht auf Anfragen
In einer Stellungnahme der Bundespolizei hieß es dazu, im Rahmen der vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen hätten die Beamten in den frühen Morgenstunden des 14. Juni bei Altmädewitz in Brandenburg eine fünfköpfige afghanische Familie gestoppt, die versucht hatte, unerlaubt einzureisen. Die Familie habe polnische Asylbescheinigungen für die Erwachsenen und polnische Heimausweise für die Kinder dabeigehabt; sie habe vor den deutschen Beamten kein Asylgesuch formuliert. Nach der Rechtslage sollte sie daher wieder nach Polen zurückgeführt werden.
Nach Angaben der Bundespolizei wurde der polnische Grenzschutz über das Gemeinsame Zentrum in Swiecko informiert, dass man die Familie übergeben wolle. "Da eine Reaktion der polnischen Seite auch auf Nachfrage für mehrere Stunden ausblieb, entschieden sich die Beamten dafür, die Familie mit einer Streife an die deutsch-polnische Grenze bei Hohenwutzen zu fahren, um sie von dort nach Polen zu entlassen."
Unterwegs klagten die Kinder der Familie demnach über Unwohlsein, weshalb die Bundespolizisten in dem Ort Osinow Dolny eine Apotheke ansteuerten, um Erste Hilfe zu ermöglichen. Da die Mutter der Kinder ihr Handy auf der Dienststelle der Bundespolizei vergessen hatte, habe man sie mit einem Streifenwagen zurück nach Brandenburg gebracht und dann wieder nach Polen zu ihrer Familie. Der Vorfall werde mit den polnischen Kollegen "intensiv nachbereitet", hieß es in dem Statement der Bundespolizei.
Tusk will mit Scholz sprechen
Trotzdem hat der Vorfall die höchste politische Ebene erreicht: Polens Regierungschef Donald Tusk kündigte auf X an, den "inakzeptablen" Vorfall mit Bundeskanzler Olaf Scholz erörtern zu wollen. "Der Sachverhalt muss im Detail geklärt werden." Das solle am Rande des informellen EU-Gipfels in Brüssel geschehen.
Das polnische Innenministerium wiederum erklärte, Ressortchef Tomasz Siemoniak wolle mit seiner Amtskollegin Nancy Faeser darüber reden. Der polnische Grenzschutz teilte mit, am Dienstag werde sich seine Spitze mit der Führung der Bundespolizei darüber austauschen.