Anwalt zu Polizeigesetz "Das ist Totalüberwachung"
Zu den Kritikern des bayerischen Polizeigesetzes zählt auch Anwalt Mathes Breuer. Im tagesschau24-Interview erklärt er, welche konkreten Gefahren er sieht - für die Bürger, aber auch für die Sicherheit von Computern.
tagesschau24: Bayern hat nun ein neues Polizeigesetz, das als das schärfste in Deutschland gilt. Wovor hat Bayern Angst, dass es solch ein Gesetz braucht?
Mathes Breuer: Das kann ich Ihnen auch nicht so ganz genau sagen. Die CSU betreibt meiner Meinung nach präventive Aufstandsbekämpfung. Es soll für irgendwelche zukünftigen Szenarien schon mal aufgerüstet werden, damit die Polizei im Zweifelsfall fast alles kann.
tagesschau24: Beamte dürfen künftig nicht erst bei konkreter Gefahr eingreifen, sondern schon bei sogenannter drohender Gefahr. Was genau heißt das und was bedeutet das für die Praxis?
Breuer: Drohende Gefahr bedeutet, dass nicht ein konkreter Schaden schon absehbar sein muss, sondern dass die Polizei schon im Vorfeld einer Gefahr eingreifen kann. Dieser Begriff kommt eigentlich aus der Terror-Bekämpfung. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass es für diesen speziellen Fall in Ordnung ist - also dass man jemanden überwacht, wenn er aus einem Terrorausbildungslager zurückkommt. Inwieweit das auf die normale Bevölkerung Anwendung finden soll, ist mir unverständlich.
"Nichts anderes als Computer zu hacken"
tagesschau24: Stimmt ein Richter zu, kann die Polizei künftig auch Verdächtige abhören und sogar Computer durchsuchen. Ist das nicht Totalübewachung?
Breuer: Einmal ist das Totalüberwachung und zum Zweiten führt natürlich die Möglichkeit, dass Computer durchsucht werden können, auch dazu, dass die Polizei ein eigenes Interesse bekommt, dass unsere Computersysteme alle unsicher bleiben. Was die Polizei macht, ist ja nichts anderes als Computer zu hacken. Die Sicherheitslücken, die die Polizei dafür ausnutzt, können auch Kriminelle ausnutzen. Es ist aus jedem Gesichtspunkt also nur gefährlich, was die Regierung da macht.
"Im Raster - nur auf Grund einer Ähnlichkeit"
tagesschau24: Befürworter des Gesetzes sagen, die erweiterten Befugnisse der Polizei könnten Straftaten künftig besser verhindern. Sehen Sie das auch so?
Breuer: Nein, mir fallen keine konkreten Beispiele ein, wo die Polizei nicht nach den bisherigen Vorschriften schon genauso gut eingreifen könnte. Das einzige, wozu das führt ist, dass die Polizei immer weiter im Vorfeld Ermittlungsmaßnahmen ergreift und damit immer mehr Leute trifft, bei den sich später rausstellt, dass sie gar nicht gefährlich waren.
tagesschau24: Neu ist ja die Anwendung der erweiterten DNA. Sie soll ja wie ein Fahndungsbild Aufschluss über äußere Merkmale einer Person geben - also auch Haarfarbe oder Augenfarbe. Was bedeutet das für die Beamten?
Breuer: Vor allem bedeutet es für die Bevölkerung, dass jemand, der aussieht wie ein Terrorist, ähnliche Merkmale hat, dann leicht in ein Raster fallen kann - nur auf Grund einer Ähnlichkeit zu einem Terroristen. Abgesehen davon kann das dazu führen kann, dass durch die verschlüsselten Sequenzen der DNA in den Kernbereich der Persönlichkeit eingegriffen wird, mit einem doch sehr unsicherem Ergebnis. Die Statistiken gehen ja nicht davon aus, dass das tatsächlich hundertprozentige Sicherheit garantiert.
tagesschau24: Nun wollen ja die Grünen und die SPD vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Wie schätzen sie die Chancen ein?
Breuer: Ich sitze natürlich nicht im Bundesverfassungsgericht und kann deswegen nur spekulieren wie Sie auch. Ich denke aber, dass weite Teile dieses Gesetzes verfassungswidrig sind und dass das Bundesverfassungsgericht diese Auffassung teilen wird.
tagesschau24: Der Protest trieb in Bayern 30.000 Menschen auf die Straße. Könnte da vielleicht auch ein neuer Kulturkampf entstehen?
Breuer: Ich bin mir sicher, dass es auch damit zu tun hat, wie die Staatsregierung auf die Kritik reagiert - indem sie einfach nur versucht, die Proteste zu diffamieren, sich abzuschotten und auf Kritik inhaltlich nicht eingeht. Wenn man sich die anderen Sachen anschaut, wie zum Beispiel die Kreuzdebatte, bekommt man den Eindruck, dass die CSU sich an die Spitze eines Rechtsrucks setzen möchte, um der AfD die Stimmen abzugreifen. Dies scheint aber nicht zu funktionieren in Bayern.
Das Interview führte Kirsten Gerhardt, tagesschau24.