Presseschau zum Rücktritt des Papstes "Gut, dass er geht" oder "mutige Entscheidung"?
Der Rücktritt des Papstes dominiert die Kommentare der deutschen Zeitungen. Von einer "mutigen Entscheidung" eines "brillianten Glaubenserklärers" und "souveräner Bescheidenheit" schreiben die einen. Andere sind kritischer: Der Pontifex habe "keine Zeichen der Erneuerung" gesetzt und es sei "gut, dass dieser Papst weg ist".
Die "Neue Ruhr Zeitung" aus Essen hat Respekt für die Entscheidung des Papstes:
"Benedikt der XVI., oft unterschätzt, viel verleumdet, hat die Welt verblüfft. Seine überraschende Entscheidung ist mutig. Vor allem ist sie zutiefst menschlich. Da sagt einer der mächtigsten Männer der Welt: Ich schaffe es nicht mehr. Davor kann man nur Hochachtung empfinden."
Der "Mannheimer Morgen" kritisiert hingegen:
"Benedikt hat es nicht geschafft, aus seinem Pontifikat eine Ära werden zu lassen. An Reformen wagte sich der brillante Theologe nicht heran. Die Chance zur Annäherung an die protestantischen Kirchen ließ ausgerechnet der deutsche Papst ungenutzt."
Die "Westdeutsche Zeitung" meint:
"Ratzinger setzte keine Zeichen der Erneuerung. Dabei hätten gerade die Glaubensbrüder in Deutschland angesichts von Skandalen und Austrittswellen seiner Hilfe bedurft. Aber Ratzinger war weder im Missbrauchsskandal noch auf der Suche nach Antworten auf eine sich verändernde Gesellschaft eine Stütze für die deutschen Bischöfe."
Die "Südwest Presse" kritisiert ebenfalls das Kirchenoberhaupt:
"Nach seinem charismatischen, aber mitunter auch chaotischen Vorgänger sollte er Struktur in die kirchliche Verwaltung bringen und die Weltkirche in ruhigere Fahrwasser führen. Der Wunsch ist nicht aufgegangen. Papst Benedikt XVI. gelang es nicht, die katholische Kirche auf einen Kurs zu führen, der offen ist für die Moderne."
Die "taz" aus Berlin freut sich über den Rücktritt:
"Gut, dass dieser Papst weg ist. Denn nichts ist gut. An der Aufarbeitung der zahllosen sexuellen Gewaltverbrechen innerhalb seiner eigenen Institution zeigte der Stellvertreter Gottes so wenig Interesse wie an einer Auseinandersetzung mit der faschistoiden Organisation Opus Dei. - Ob beim Thema Frauen, Homosexuelle, Vergewaltigung, also insgesamt beim Thema Menschenrechte: Reaktionärer als dieser Papst kann man sich kaum äußern."
Dagegen meint das "Hamburger Abendblatt", der scheidende Papst werde zu Unrecht einseitig negativ dargestellt:
"Der Theologe ist ein brillanter Glaubenserklärer - ausgerechnet in einem glaubensentwöhnten Land erobern seine Bücher die Bestseller-Listen."
Die "Bild" kommentiert:
"Noch nie war Benedikt XVI. so stark wie in seinem schwächsten Moment."
Die "Frankfurter Neue Presse" meint:
"Kein Wunder, dass die Ankündigung seines Rücktritts nicht nur die Kirche selbst aufwühlt, sondern auch den Rest des Globus elektrisiert. Man muss ein paar Jahrhunderte zurückblicken, um einen vergleichbar dramatischen Schritt zu entdecken - auch das mag belegen, wie sehr die Kirche dem hektischen Taktschlag des Internet-Zeitalters eine Art Zeitlosigkeit entgegensetzt."
Die "Braunschweiger Zeitung" lobt den Entschluss des Papstes:
"Die souveräne Bescheidenheit zeichnet auch Benedikts Rücktritt aus. Da entschied er anders als sein Vorgänger Johannes Paul II., der leidend ausharrte bis zum Tod. ... Das Amt ist wichtig, nicht ich, lautet die Botschaft. Eine Geste, der auch seine Gegner Respekt zollen werden."
Die "Berliner Zeitung" spekuliert über einen möglichen Nachfolger:
"Es wäre überfällig, dass ein Nichteuropäer zum Oberhaupt der Katholiken gewählt würde, einer, der die vielen Millionen Gläubigen in den Ländern der so genannten Dritten Welt repräsentiert. In diesem Sinne ist Benedikts Rücktritt eine Chance. Dass es zu einer Erneuerung kommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Dafür hat Benedikt schon mit seiner Personalpolitik gesorgt. Das Kollegium der Kardinäle, das seinen Nachfolger wählt, ist derzeit sehr konservativ, europäisch und vor allem italienisch. Auch das ist sein Vermächtnis."