Urteil zum Atomausstieg Jetzt geht es ums Geld
Den Energiekonzernen steht wegen des Atomausstiegs eine "angemessene Entschädigung" zu - das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Jetzt geht's ums Geld. Was steht den Unternehmen zu?
Jochen Flasbarth ist erleichtert. Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium fährt zwar mit jeder Menge Hausaufgaben aus Karlsruhe nach Berlin zurück. Denn Konzerne dürfen jetzt Entschädigungen fordern - für Strommengen, die ihnen mal zugesichert wurden im ersten Atomausstiegsgesetz, aber die sie am Ende nun doch nicht mehr verbrauchen können.
Umweltministerium schlägt Summen vor
"Wir werden jetzt sehen, was diese Reststrommengen auch im Lichte der energiewirtschaftlichen Entwicklung für einen Wert haben," so Flasbarth. Auf dieser Basis werde das Umweltministerium dann Vorschläge erarbeiten und mit den anderen Ressorts besprechen. "Und dann werden wir eine angemessene Ausgleichsregelung schaffen."
Aber, und das ist Flasbarth viel wichtiger: Den Atomausstieg an sich haben die Richter ebenfalls gebilligt. Er ist keine Enteignung, wie die Konzerne argumentiert hatten. Und damit seien hohe Milliardenforderungen der Unternehmen vom Tisch. Alles bewege sich im Rahmen, meint auch Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs.
Doch dass überhaupt Geld an die Atomkonzerne fließen könnte, das schmeckt dem umweltpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, wenig. Er sieht vor allem eine Schuldige: Bundeskanzlerin Merkel. Miersch wirft ihr einen Zickzack-Kurs in der Atompolitik vor: "Jeder Cent, der da jetzt in irgendeiner Form folgt, ist ein Cent, den die Steuerzahler aufgrund der Entscheidungen von Frau Merkel und der schwarz-gelben Bundesregierung zahlen müssen."
Erste Ausstiegsvereinbarung 2002
Das Hin und Her um den Atomausstieg begann 2002. Damals einigte sich die rot-grüne Bundesregierung mit den Energiekonzernen auf einen Ausstiegsfahrplan bis 2022. Den Unternehmen wurden sogenannte Reststrommengen zugesichert - also Strommengen, die die Meiler bis zu ihrem Abschalten noch produzieren durften.
Als die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Merkel 2010 dann den Ausstieg zunächst kippte, investierten manche Atomkonzerne in ihre Kraftwerke. Das Unglück von Fukushima 2011 führte dann zur erneuten Rolle Rückwärts der Bundespolitik. Dafür müsse nun "angemessen" entschädigt werden, hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschlossen.
Kritik an Schwarz-Gelb
"Das haben Union und FDP verbockt", meint der Grüne Robert Habeck. Und auch die Linkspartei beklagt das Hin und Her um den Atomausstieg. Leidtragender seien erneut die Bürger, so Fraktionsgeschäftsführerin Petra Sitte.
Zum Zeitpunkt ihres Betriebs seien die Meiler bei der Atommüll-Entsorgung subventioniert worden, so Sitte. "Und jetzt ist bei der Entschädigung wieder der Otto-Normalverbraucher, nämlich der Steuerzahler, im Boot. Das ist die dritte goldene Nase, die man daran verdient."
Die Konzerne selbst gehen von keinen Riesensummen aus. RWE, einer der Kläger, räumt selbst ein, Milliarden würden wohl nicht fließen. Und E.on will nach eigenen Angaben "konstruktiv verhandeln".
Miersch: "Schwierige Gespräche"
SPD-Umweltpolitiker Miersch geht trotzdem von schwierigen Gesprächen aus. Denn für die Atomkonzerne werde es interessant sein, die Entschädigungsansprüche gegen künftige Kosten für die Atommüll-Entsorgung zu verrechnen. Zu diesem Thema sind ebenfalls noch Klagen anhängig.
"Letztlich habe ich es von den Konzernen so erlebt, dass sie ein großes Interesse haben, dass sie Stablität und Planungssicherheit für diese unendlich bemessenen Folgekosten, was die Entsorgung und die Lagerung angeht, haben wollen," so Miersch. Wie weit das alles miteinander vereinbar sei, werde man jetzt sehen.
Damit der Staat den Konzernen Risiken bei der Haftung abnimmt, sollten diese eigentlich alle Klagen fallen lassen. Bis spätestens Mitte 2018 muss die Bundesregierung nun ein Gesetz schaffen, das die Ansprüche der Unternehmen neu regelt.