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Baden-Württemberg Tarifeinigung im öffentlichen Dienst: "Schwieriger Kompromiss in schwierigen Zeiten"

Stand: 06.04.2025 14:27 Uhr

Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen haben sich geeinigt. Damit sind weitere Streiks vom Tisch. Der Kompromiss und die Reaktionen in BW.

Die rund 385.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Baden-Württemberg bekommen mehr Geld. Die Tarifparteien für Bund und Kommunen haben sich am Sonntag in Potsdam auf einen entsprechenden Kompromiss geeinigt. Damit sind weitere Streiks auch in Baden-Württemberg abgewendet.

Die insgesamt mehr als 2,7 Millionen Beschäftigten in Deutschland sollen ab dem 1. April eine Erhöhung von drei Prozent erhalten, mindestens aber 110 Euro mehr im Monat. Ab 1. Mai 2026 soll eine weitere Erhöhung um 2,8 Prozent folgen. Die Laufzeit des Tarifvertrages soll 27 Monate, also bis Ende März 2027, betragen. Grundlage für die Einigung ist ein Schlichterspruch, der eine zweistufige Lohnerhöhung um 5,8 Prozent vorgeschlagen hatte.

Player: audioStufen-Tarifabschluss für Bund und Kommunen

Die Einigung sieht zudem vor, dass sich die monatlichen Schicht- und Wechselschichtzulagen ab Juli deutlich erhöhen. Zudem sollen die Beschäftigten ab 2026 ein höheres 13. Monatsgehalt bekommen und ab 2027 einen weiteren Urlaubstag.

ver.di-Bezirkschef: Freiwillige Arbeitszeitverlängerung "Dorn im Auge"

Der baden-württembergische Landesbezirksleiter der Gewerkschaft ver.di, Martin Gross, sprach von einem "schwierigen Kompromiss", mit dem man einen "von den Arbeitgebern geforderten tarifpolitischen Richtungswechsel um 180 Grad" habe verhindern können. "Mit einem Gesamtvolumen von über sieben Prozent haben wir unsere Ziele zwar nicht erreicht, aber immerhin ein Ergebnis erkämpft, das über den Flächentarifverträgen der Privatwirtschaft liegt." Die starke Streikbewegung der letzten Wochen, trotz massivem Gegenwind, stärkt uns für die bevorstehenden Kämpfe in einem drohenden neoliberalen Jahrzehnt 2.0", so Gross weiter.

Forderungen nach mehr Arbeit würden auf erbitterten Widerstand treffen. Die Option zur freiwilligen Arbeitszeitverlängerung mit zusätzlicher Bezahlung und Zuschlägen "ist uns deshalb auch ein echter Dorn im Auge", sagte der ver.di-Bezirkschef und warnte die kommunalen Arbeitgeber davor, Beschäftigte unter Druck zu setzen.

Vertreterinnen und Vertreter der Tarifparteien geben ein Statement.

Volker Geyer, stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Beamten Bundes (dbb), Nancy Faeser (SPD), geschäftsführende Bundesministerin für Inneres und Heimat, Frank Werneke, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, und Karin Welge, Verhandlungsführerin Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), geben nach dem Abschluss der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst ein Statement.

Verhandlungsführerin Bund: "An die Grenze gegangen"

"Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir bei schwieriger Haushaltslage verantworten können", sagte die geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD), als sie am Sonntagvormittag gemeinsam mit Gewerkschaften und Kommunen die Einigung verkündete. Laut Bundesinnenministerium liegen die Kosten des Tarifabschlusses allein für die Tarifbeschäftigten des Bundes bei rund 1,94 Milliarden Euro.

GEW-Vorsitzende BW: Impuls für Nachwuchskräfte in Kitas

Die baden-württembergische Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Monika Stein, erhofft sich von der Tarifeinigung einen Anreiz für Nachwuchskräfte in Kitas. Der Kompromiss von Potsdam sei "auch ein kleiner Schritt gegen den Fachkräftemangel in den Kitas zwischen Main und Bodensee". Der Gehaltszuwachs liege über der Inflationsrate. "Das ist auch ein wichtiges Zeichen für junge Menschen, die wir in den nächsten Jahren als neue Nachwuchskräfte dringend brauchen“, so Stein.

Welche Berufsgruppen profitieren von der Tarifeinigung?

In Baden-Württemberg sind nach Angaben des Kommunalen Arbeitgeberverbandes insgesamt 385.000 Beschäftigte direkt von den Tarifverhandlungen betroffen. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes am Stichtag 30. Juni 2023 arbeiten davon rund 248.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Rund 67 Prozent der Beschäftigten in den Kommunen - insgesamt inklusive Beamtinnen und Beamte - sind Frauen, die Teilzeitquote beträgt rund 44 Prozent.

Ebenso direkt betroffen sind rund 30.000 Beschäftigte bei den baden-württembergischen Sparkassen sowie Beschäftigte in kommunalen Kliniken, Versorgungsbetrieben und Nahverkehrsunternehmen.

Außerdem haben die bundesweiten Verhandlungen unter anderem Auswirkungen auf den Verlauf der Tarifrunde von rund 10.000 Beschäftigten bei der Agentur für Arbeit und über 3.000 Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung im Land.

Tarifeinigung nach zahlreichen Warnstreiks und Schlichterspruch

Seit Januar hatten Arbeitgeber und Gewerkschaften über die künftigen Einkommen und Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen gestritten. Immer wieder gab es Warnstreiks - mal fuhren Busse nicht, mal blieb der Müll liegen und die Kita zu.

Mitte März waren die Tarifverhandlungen zunächst gescheitert. Ende März teilte die Schlichtungskommission unter Vorsitz des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und des früheren Bremer Staatsrats Hans-Henning Lühr den Schlichterspruch mit. Er liegt der Tarifeinigung zugrunde.

Sendung am So., 6.4.2025 12:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg

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