Kanzler bei Betriebsversammlung Meyer Werft offenbar gerettet
Die Existenz der Meyer Werft ist offenbar gesichert. Olaf Scholz kündigte vor der Belegschaft in Papenburg an, dass es weitergehe. Verbände haben sich gegen eine langfristige staatliche Lösung ausgesprochen.
Es sei nie eine Frage gewesen, ob der Bund der Meyer Werft helfe, sondern nur wie, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagmittag während einer Betriebsversammlung. Die Stellung Deutschlands als drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt erfordere eine starke maritime Wirtschaft - und die Meyer Werft sei ein "industrielles Kronjuwel", dessen Problem nicht in der Qualität der Produkte liege. "Der Bund trägt seinen Teil der Lösung bei", versicherte der SPD-Politiker.
Politiker treten früher vor die Presse
Details müssten noch geklärt werden, sagte Scholz. Auch der Haushaltsausschuss des Bundestages und der Landtag in Niedersachsen müssen den Plänen noch zustimmen. Die notwendige Abstimmung mit Banken und der EU-Kommission werde gelingen, zeigte sich der Kanzler zuversichtlich. Er betonte, dass ein möglicher Staatseinstieg nur befristet erfolgen solle. Scholz bezeichnete die Meyer Werft als systemrelevant für die maritime Wirtschaft in Deutschland. Nach Scholz sprach auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zur Belegschaft. Im Anschluss bekräftigten die beiden SPD-Politiker ihre Hilfsangebote in einem kurzen Statement vor der Presse. Die Reden fanden früher statt als geplant, ein angekündigter Livestream auf NDR.de kam deshalb nicht zustande.
Weil: "Ball ist noch nicht im Tor"
Niedersachsens Regierungschef Weil warnte vor vorschnellem Jubel. "Der Ball ist noch nicht im Tor", sagte der SPD-Politiker bei der Betriebsversammlung. Es handele sich um das größte Engagement, das das Land Niedersachsen je für die Rettung eines Unternehmens übernommen habe. Allerdings: Das Konzept sei gut, Meyer habe eine starke Zukunft. Die Werft habe Aufträge im Wert von mehr als elf Milliarden Euro in den Büchern, die Beschäftigung sei bis in die 2030er-Jahre hinein gesichert. "Ich habe kein schlechtes Gewissen, ein solches Unternehmen zu retten", sagte Weil. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) sagte dem NDR Niedersachsen, dass man nun stärker hingucken und sich für die Klimaschutzziele des Landes einsetzen werde.
Rettungsplan für die Meyer Werft steht im Wesentlichen
Die wichtigsten Punkte zwischen Werft und Politik scheinen geklärt. Aus internen Kreisen heißt es, dass Bund und Land nicht nur mit jeweils rund 900 Millionen Euro bürgen, sondern auch mit 80 bis 90 Prozent die Mehrheitsanteile an der Werft übernehmen sollen. Im Gespräch ist, dass Bund und Land für eine Erhöhung des Eigenkapitals um rund 400 Millionen Euro sorgen. Damit würde die Meyer Werft befristet bis 2027 zu einem Staatskonzern. Familie Meyer soll im neuen Aufsichtsrat mit einem Sitz vertreten sein. Außerdem soll sie ein Rückkaufsrecht für die Anteile haben. Bund und Land wollen nach NDR Informationen für ihr Engagement Zinsen nehmen. Darüber wird offenbar noch verhandelt, genauso wie über die konkrete Höhe der Anteile.
Turku für Meyer, Papenburg und Rostock für den Staat?
Sollten Bund und Land die Mehrheitsanteile an der Werft übernehmen, dann würde der Familie Meyer nur noch der Werft-Standort im finnischen Turku gehören. Die Standorte in Papenburg und Rostock würden dann an den Staat gehen. Um eine mögliche Konkurrenz auszuschließen, sollen alle drei Standorte in einer europäischen Holding verschmolzen werden.
Verbände plädieren für eine zeitliche Befristung
Die Unternehmerverbände Niedersachsen halten einen vorübergehenden staatlichen Einstieg bei der Meyer Werft zwar für vertretbar, sie weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer sei. Auch der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) spricht sich gegen eine dauerhafte staatliche Leitung der Werft aus. "Wir teilen die von vielen geäußerte Auffassung, dass die Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand keine Dauerlösung sein sollte", heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme des Branchenverbands aus Hamburg. Der Verband lobte im Weiteren den Einsatz von Bund und Land für das Papenburger Unternehmen.
IG Metall: Finanzielle Sicherheit geht derzeit nicht ohne Staat
Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, geht davon aus, dass der Standort Papenburg weiterhin das Herz der Werft bleiben wird. Auch die Meyer-Familie werde weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen - wegen ihres "Engagements und Know-how im Schiffbau", sagte Friedrich im Interview mit NDR Info. Auf der anderen Seite brauche das Unternehmen aber Perspektiven und finanzielle Sicherheit - "und das geht zurzeit ohne den Staat nicht". Der geplante Einstieg von Bund und Land sei daher eine "notwendige Lösung", betonte Friedrich.
Rund 18.000 Arbeitsplätze in der Region betroffen
Die Meyer Werft ist ein enormer Wirtschaftsfaktor im Emsland. Mehr als 3.000 Beschäftigte arbeiten am Standort Papenburg, insgesamt hängen rund 18.000 Stellen in der Region direkt oder indirekt von der Werft ab. Anfang Juli hatte sich die Geschäftsführung der Meyer Werft bereits mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall auf ein Restrukturierungskonzept geeinigt, wonach 340 Stellen in Papenburg abgebaut werden. Darüber hinaus sollen ein Aufsichtsrat und ein Konzernbetriebsrat geschaffen und der Unternehmenssitz von Luxemburg nach Deutschland zurückverlegt werden - alles Bedingungen der Politik für das Rettungspaket.
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NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 22.08.2024 | 19:30 Uhr