Schadstoffbelastung in Städten EU-Kommission klagt für bessere Luft
Mehreren EU-Ländern drohen offenbar Diesel-Fahrverbote für Innenstädte, weil sie die Grenzwerte für saubere Luft überschreiten. Die EU-Kommission plant, sie vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.
In mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union könnten Fahrverbote für Diesel-Autos in Innenstädten drohen. EU-Umweltkommissar Karmenu Vella habe konkrete Pläne, einige Länder wegen der Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu verklagen, berichtete die "Welt am Sonntag" laut Vorabbericht.
Eine solche Klage hätte der Zeitung zufolge gute Erfolgsaussichten, weil die Grenzwerte nachweislich überschritten würden. Sollte es tatsächlich zu einer Verurteilung kommen, drohen den Ländern hohe Strafzahlungen. Alternativ könnten sie radikale Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergreifen, also etwa Fahrverbote. Am Pranger stehen wegen der schlechten Luftqualität unter anderem Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien.
Schulze: Automobilhersteller müssen "mit ran"
In vielen deutschen Städten ist die Luft höher als von der EU erlaubt mit Stickoxiden belastet, die in verkehrsreichen Gebieten zu einem großen Teil aus Diesel-Abgasen stammen. Der Bund brachte deswegen bereits ein milliardenschweres Programm für bessere Luft in Kommunen auf den Weg. Es sieht unter anderem die Umrüstung von Bussen und Taxen sowie eine bessere Taktung des öffentlichen Nahverkehrs vor.
Nach den Vorstellungen der neuen Bundesumweltministerin Svenja Schulze müsse aus diesen Vorschlägen nun "eine Art Baukasten" erstellt werden, der den Kommunen hilft. "Wir dürfen die Kommunen mit dem Thema nicht alleine lassen", sagte Schulze der Nachrichtenagentur dpa. Dies müsse am Ende ein Paket sein, bei dem die Automobilhersteller "mit ran" müssten. "Da können Sie sich nicht entziehen."
Umweltministerin will Fahrverbote verhindern
Die SPD-Politikerin rief die Autoindustrie zu verstärkten Anstrengungen für bessere Luft in Städten auf. Eine blaue Plakette für Autos mit niedrigem Schadstoffausstoß wolle sie möglichst verhindern, sagte sie. "Plaketten machen nur Sinn, wenn man Fahrverbote hat", so Schulze. "Aber wenn wir jetzt nur über Fahrverbote reden, ändert sich technisch erst einmal nichts, die Autos werden nicht sauberer und fahren woanders weiter."
Deswegen wolle sie den Druck aufrecht erhalten, damit es technische Nachrüstungen gebe und die Autos spürbar sauberer werden. Schulze sagte, mit Fahrverboten "wären die Verursacher des Problems, die Autohersteller, aus dem Schneider." Der politische Druck, die Autos sauberer zu machen, müsse aber bleiben.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote für Diesel generell für zulässig erklärt, dies müsse aber das letzte Mittel sein. Die Kommunen fordern eine Kennzeichnung wie die bundeseinheitliche Regelung mit einer blauen Plakette schon lange, um einen Flickenteppich verschiedener Verbote zu vermeiden.
Schulzes Vorgängerin Barbara Hendricks hielt eine solche Kennzeichnung für notwendig, wenn es zu Fahrverboten kommen sollte - hatte aber ebenfalls betont, Fahrverbote möglichst vermeiden zu wollen. Schulze äußerte scharfe Kritik an der Autoindustrie.
"Industrie steht in der Verantwortung"
Viele Leute hätten sich einen Diesel gekauft, weil sie dachten, er sei umweltfreundlicher, erklärte sie. "Teilweise ist massiv betrogen worden. Die Abgaswerte stehen meistens nur auf dem Papier, haben aber mit den realen Werten auf der Straße wenig zu tun." Die Industrie stehe hier in der Verantwortung. "Man kann sie nicht juristisch zwingen, das geben die Gesetze nicht her. Aber die Industrie hat eine Verantwortung, da jetzt nachzusteuern."
Die Hersteller wollen mit Software-Updates von Dieselfahrzeugen die Schadstoffe senken. Hardware-Nachrüstungen, also Umbauten direkt am Motor, lehnen sie als zu aufwendig und teuer ab. Schulze dagegen sagte, es müsse auch Hardware-Nachrüstungen geben. "Auch der ADAC sagt, dass das sehr viel bringen wird. Dass wir etwas tun müssen, um die Luft sauberer zu machen, das bezweifelt keiner mehr."