Virologe zur Schweinegrippe "Ganz verschwunden war sie nie"
Die Schweinegrippe ist wieder da. In Deutschland sind zwei Menschen gestorben, die mit dem Virus infiziert waren. Der Virologe Hofmann warnt aber im Gespräch mit tagesschau.de vor Panik: Eine neue Welle sei in der jetzigen Grippezeit erwartet worden - und es gebe keine Hinweise auf eine gefährliche Veränderung des Virus.
tagesschau.de: Die Schweinegrippe schien verschwunden zu sein - wann ist sie wieder aufgetaucht?
Jörg Hofmann: Ganz verschwunden war sie nie, die Medien haben es nur nicht mitbekommen. Einzelne Fälle gab es immer: im dritten Quartal 2010 gab es 35 Fälle, im vierten Quartal 100 Fälle. Jetzt rechnen wir damit, dass die Meldezahlen stetig steigen. Aber das ist völlig normal - wir haben Erkältungszeit. Januar und vor allem Februar sind seit vielen, vielen Jahren Gipfelzeit der Influenza. Auch andere Infektionen der Atemwege haben jetzt richtige Hochphasen erreicht. Das passt in die Jahreszeit.
Jörg Hofmann ist seit 2006 Leiter der Abteilung Virusdiagnostik am Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikums Charité Berlin. Er hat in Leipzig Chemie studiert, 1988 in Chemie promoviert und 2007 im Bereich der Virologie habilitiert.
tagesschau.de: Hat sich das Virus verändert? Ist es möglicherweise gefährlicher geworden?
Hofmann: Kaum. Die wenigen neuen Erreger, die man in dieser Saison untersucht hat, sind ein bisschen heterogener geworden. Man kann sie etwas besser voneinander unterscheiden, auch die ehemals pandemischen H1N1-Erreger. Diese Entwicklung gibt es auch bei jedem anderen Influenza-Virus. Es gibt überhaupt keinen Hinweis, dass die Viren, die jetzt zirkulieren, irgendwie gefährlicher wären.
tagesschau.de: Ist das Schweinegrippen-Virus wieder so dominant wie in der vergangenen Saison?
Hofmann: Nein. In der letzten Saison war noch fast ausschließlich das pandemische H1N1-Virus unterwegs - jetzt ist es so, dass in Deutschland und Europa rund zwei Drittel Influenza A - mit zu etwa gleichen Teilen H1N1 und H3N2 – und sowie ein Drittel Influenza B festgestellt werden. Das ist also anders als im letzten Jahr: Im Vergleich zum vergangenen Jahr stellen wir jetzt auch stark andere Influenza-Viren fest.
tagesschau.de: Kann man schon etwas zum Verlauf sagen?
Hofmann: Bis jetzt nicht. Man kann nur eines sagen: Es verläuft völlig typisch - und auch wenn das nicht so gut klingt: auch inklusive der ersten Toten. In Großbritannien gab es schon vierzehn Tote, in Deutschland gibt es jetzt zwei. Aber das haben wir Jahr für Jahr immer wieder.
tagesschau.de: Wie gut sind die Behörden vorbereitet?
Hofmann: Gut. Wir haben genug Impfstoffe. Im August/September hat die Weltgesundheitsorganisation WHO wie jedes Jahr vorgeschlagen, wie die sich zusammensetzen sollen - mit Komponenten gegen Influenza A H1N1 und H3N2 sowie Influenza B. Das sind die drei Viren, die hauptsächlich zirkulieren.
tagesschau.de: Rückblickend - wie beurteilen Sie die Diskussion um die Schweinegrippe der Vergangenheit?
Hofmann: Man muss sicherlich vieles den Medien zuschieben. Dort wurde ein Stück weit Hysterie aufgebaut. Als es um die wichtigen Entscheidung wie die Zusammensetzung der Impfstoffe ging, wussten wir noch nicht wie es sich entwickeln wird. Wir können froh und glücklich sein, das der Erreger sich zwar sehr schnell ausgebreitet hat - seine Wirkung aber eher moderat blieb. Durch das pandemische H1N1 sind sehr viel weniger Menschen gestorben als durch die normale saisonale Grippe. Es ist kein Killervirus gewesen.
tagesschau.de: Welche Tipps geben Sie den Menschen?
Hofmann: Sie sollen sich impfen lassen. Damit schützen sie sich selbst - und sie verhindern, dass das Virus sich leicht und schnell ausbreitet. Ansonsten sind die üblichen Hygienemaßnahmen wichtig: häufiges Händewaschen, dem Nachbarn nicht ins Gesicht niesen oder husten. Damit und mit der Impfung schützt man nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umgebung.
Das Interview führte Fabian Grabowsky, tagesschau.de