Hintergrund: Das Snowden-Gutachten der Regierung Aufklärung vs. Freundschaft
Die USA suchen Ex-NSA-Mitarbeiter Snowden per Haftbefehl, Deutschland würde ihn gerne befragen. Aber wie? Und was hätte das für Folgen? Das eigentlich geheime Gutachten der Regierung kommt zu klaren Antworten.
"VS - Nur für den Dienstgebrauch" steht oben auf jeder einzelnen der 27 Seiten - aber es war zwecklos: Das Gutachten der Regierung erreichte die Presse. Die Beamten drehen und wenden darin alle Paragrafen, Gesetze, Übereinkommen und Interessen, die in irgendeiner Form mit dem Fall Edward Snowden zu tun haben.
Für die Regierung wäre das Staatswohl beeinträchtigt
Erste, wichtigste Frage: Wäre es möglich, Snowden in Deutschland zu vernehmen? Das Gutachten nennt mehrere theoretisch mögliche Türen für die Einreise: zum Beispiel eine Ausnahmegenehmigung oder einen visumfreien Kurzaufenthalt. Ob sich aber eine dieser Türen öffnet, das entscheidet nicht der Untersuchungsausschuss, sondern die Regierung - und zwar im Zuge der Amtshilfe. Dazu heißt es: Amtshilfe darf die Regierung dann nicht leisten, wenn es rechtlich nicht geht oder wenn dadurch das deutsche Staatswohl beeinträchtigt würde.
Wäre das deutsche Staatswohl beeinträchtigt? Laut Regierung ja. Denn käme Snowden nach Deutschland, wäre das Verhältnis zu den USA "sehr wahrscheinlich schwer und dauerhaft belastet", so wörtlich das Gutachten. Es wäre also zu gewichten: Was wiegt mehr? Das Aufklärungsinteresse des Parlaments oder die Freundschaft zu den USA? Für die Regierung wiegt eindeutig die Freundschaft mehr.
Anschließend widmet sich das Papier trotzdem einzelnen Aspekten eines Snowden-Besuchs: Müsste Deutschland ihn an die USA ausliefern - wegen des internationalen Haftbefehls? Laut Gutachten ja, denn die Todesstrafe drohe nicht. Und Snowden werde nicht wegen einer politischen Straftat gesucht, sondern wegen einer Tat, die auch in Deutschland unter Strafe steht: nämlich Verrat von Staatsgeheimnissen.
Asyl scheidet laut Regierung ebenso aus. Auch wenn Snowden einen Asylantrag stellen würde, müsste Deutschland ihn ausliefern. Schließlich: Könnte man Edward Snowden nicht freies Geleit zusichern? Antwort der Regierung: Damit würde Deutschland seine völkerrechtlichen Pflichten missachten.
Zuletzt prüft die Regierung alle Möglichkeiten, Snowden im Ausland zu befragen. Zum Beispiel, dass Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Russland reisen. Auch eine Videokonferenz wäre denkbar oder eine schriftliche Befragung. Für fast jede dieser Möglichkeiten nennt das Gutachten zwar Hürden, aber die wären wohl zu überwinden.
Trotzdem bleibt es für die Regierung dabei: Wichtiger als das Aufklärungsinteresse des Bundestags sind laut ihrer Auffassung die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands. Und um dem Ganzen ein wenig Nachdruck zu geben, hat die Regierung dem Bundestag auch das Gutachten einer amerikanischen Anwaltskanzlei geschickt. "Wir machen uns das nicht zu eigen!", sagt die Regierungssprecherin. Aber wissen sollen es dann doch alle: nämlich, dass die deutschen Parlamentarier sich nach amerikanischem Recht strafbar machen würden, wenn sie Snowden befragen.