Vorstoß Steinmeiers Gegenwind für sozialen Pflichtdienst
Die Bundesregierung steht einem möglichen sozialen Pflichtdienst kritisch gegenüber. Man setze lieber auf Freiwilligkeit, heißt es von den Ampel-Parteien. Und auch Sozialverbände lehnen den Vorstoß von Bundespräsident Steinmeier ab.
Der Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für eine soziale Pflichtzeit für junge Menschen stößt in der Bundesregierung auf Zurückhaltung. VizeRegierungssprecher Wolfgang Büchner verwies stattdessen auf die bestehenden Freiwilligendienste. Fast 100.000 junge Menschen engagierten sich dort, sagte er mit Blick auf Angebote wie den Bundesfreiwilligendienst oder das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Die Bundesregierung habe sich vorgenommen, das bürgerschaftliche Engagement weiter zu stärken, sagte er. Der Koalitionsvertrag sieht vor, bestehende Freiwilligendienste gegebenenfalls aufzustocken und die Rahmenbedingungen zu verbessern.
"Eine theoretische Diskussion"
Von Verteidigungsministerium und Bundeswehr hieß es ebenfalls, man setze auf Freiwilligkeit. Aktuell leisten von etwa 184.000 Soldatinnen und Soldaten 9200 freiwillig Wehrdienst. Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), sprach sich gegen die angeregte Pflichtzeit aus. "Angesichts des Krieges in der Ukraine ist das eine theoretische Diskussion, denn jetzt hilft die Wiedereinführung einer Wehrpflicht oder die Einführung einer Dienstpflicht nicht", sagte Högl. Es gehe vor allem darum, die Bundeswehr insgesamt attraktiv zu machen, damit sich gut qualifizierte Menschen für den Dienst in der Truppe entscheiden, ergänzte sie.
Grüne und FDP kritisch
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte bereits am Sonntag getwittert: "Eine Dienstpflicht wird es mit uns nicht geben." Am Montag bekräftigte sie unter Verweis auf das Kennedy-Zitat: "Das kann nur aus einer freien Entscheidung entstehen. Wir haben nicht das Recht, über die Lebensläufe der jungen Menschen zu entscheiden."
Auch von den Grünen kam eine Absage: "Wir sollten doch ein soziales Jahr, ein Freiwilligenjahr so attraktiv machen, dass es für jeden Sinn macht, das zu tun", sagte Parteichefin Ricarda Lang. Beispielsweise könne man den Einsatz stärker für die Rente anrechenbar machen oder die Bezahlung attraktiver.
Sozialverbände winken ab
Wohlfahrtsverbände machten ebenfalls deutlich, dass sie von Pflichteinsätzen nichts halten. Dann müsste man auch "Menschen rekrutieren, die überhaupt keine Lust haben und vielleicht auch ungeeignet sind. Das wollen wir nicht", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, im SWR. Das könne beispielsweise in einem Pflegeheim den Bewohnern und Angehörigen nicht zugemutet werden.
Auch der Präsident der evangelischen Diakonie, Ulrich Lilie, reagierte skeptisch auf den Vorschlag des Bundespräsidenten. "Freiwilligkeit und persönliche Überzeugung müssen entscheidend bleiben. Besser als eine Dienstpflicht und dringend notwendig wären weitere Anreize und Rahmenbedingungen, damit eine freiwillige Entscheidung für ein soziales Engagement noch breiter möglich wird", sagte Lilie. Eine Pflichtzeit für junge Menschen käme außerdem zur Unzeit. Sie gehörten, so Lilie, zu den Hauptleidtragenden der Pandemie und hätten sich bereits sehr solidarisch gezeigt.
"Eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft"
Steinmeier hatte eine Debatte über eine sogenannte soziale Pflichtzeit angeregt, die bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen geleistet werden könnte. Es gebe ein wachsendes Verständnis dafür, dass sich Menschen für eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft einsetzen. "Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein", sagte der Bundespräsident der "Bild"-Zeitung.