Kritik an Sportförderung Was braucht es für mehr Medaillen?
Deutschland belegte bei Olympia nur Platz zehn im Medaillenspiegel - das schlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung. Sportler wünschen sich bessere Förderung. Doch die Vorstellungen darüber gehen weit auseinander.
Die Vereinigung Athleten Deutschland setzt sich nach dem schwachen Abschneiden des deutschen Olympia-Teams bei den Sommerspielen in Paris erneut für eine Reform des Sportfördersystems ein. Es sei derzeit nur bedingt in der Lage, das Potenzial der Athletinnen und Athleten so zu entwickeln, dass sie in der Breite international wettbewerbsfähig seien, hieß es in einer Mitteilung.
Deutschland belegte in Paris mit zwölf Gold-, 13 Silber- und acht Bronzemedaillen Rang zehn im Medaillenspiegel. Das ist die schlechteste Platzierung seit der Wiedervereinigung.
"Wenn wir als Gesellschaft Höchstleistungen und Erfolge bejubeln möchten, benötigen wir ein leistungsfähiges Fördersystem, das den Athletinnen und Athleten optimale Rahmenbedingungen zur Entfaltung ihrer Potenziale ermöglicht", sagte der Geschäftsführer von Athleten Deutschland, Johannes Herber.
Athleten wollen Mindestmaß an Absicherung
Es sei dabei auch wichtig, die Sorgen und Nöte der Athletinnen und Athleten sowie ihrer Trainerinnen und Trainer in den Fokus zu rücken. Spitzensport sei ein Berufsfeld mit enormen Risiken, Kosten und Entbehrungen, sagte Herber. "Deshalb wünschen wir uns, dass mit dem geplanten Sportfördergesetz ein Mindestmaß an sozialer wie materieller Absicherung für die Athletinnen und Athleten geschaffen wird und damit Schutzlücken geschlossen werden."
Kanuten kritisierten Kanzler Scholz
Schon während der Spiele hatten etwa die beiden Kajak-Olympiasieger Max Rendschmidt und Tom Liebscher-Lucz Bundeskanzler Olaf Scholz bei dessen Besuch der Wettkämpfe scharf kritisiert. "Wichtig ist nicht, dass Politiker nur fürs nächste Wahlergebnis hier sind, sondern dass Familie und Freunde da sitzen", sagte Rendschmidt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Er soll lieber Entscheidungen für den Sport treffen. Die Liebe zum Sport wird immer dann entdeckt, wenn es Medaillen gibt."
Kanu-Olympiasieger Tom Liebscher-Lucz (r.) diskutierte bei den Spielen mit Olaf Scholz (l.)
Sein Teamkollege aus dem Gold-Vierer, Liebscher-Lucz, redete bei Scholz' Besuch minutenlang auf den Kanzler ein. "Ich würde ihn gern nicht nur bei Olympia, sondern auch mal bei einer WM oder DM sehen. Stattdessen wird uns das Geld weiter gekürzt, wenn wir Erfolge feiern", sagte Liebscher-Lucz.
3,7 Millionen Euro pro Olympia-Medaille
Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln legt allerdings nahe, dass mehr Geld nicht automatisch auch mehr Medaillen verspricht. Vielmehr scheint Ineffizienz ein Problem zu sein: In den vergangenen zehn Jahren stiegen demnach die Ausgaben für Spitzensportförderung inflationsbereinigt von 44 Millionen Euro zwar auf knapp 60 Millionen Euro - aber bei abnehmendem Erfolg.
Laut Studie zahlte der Bund pro gewonnener Medaille fast doppelt so viel an Zuschüssen an die Sportverbände aus als noch vor acht Jahren in Rio. 2016 in Rio de Janeiro hatte der Bund pro Medaille noch rund 2,2 Millionen Euro Fördergelder an die Sportverbände gezahlt. Bei den Tokio-Spielen waren es 3,2 Millionen Euro pro Medaille und in Paris 3,7 Millionen Euro.
"Die Sportförderung leidet unter derselben Krankheit, die auch die Wirtschaft belastet: Zu oft verschlechtert Bürokratie die Zielgenauigkeit staatlicher Maßnahmen", erklärte IW-Ökonom Simon Gerards Iglesias.
Handlungsbedarf auf vielen Ebenen
Die Studienmacher kommen auch zu dem Schluss, dass wegen der unzureichenden Zentralisierung Ressourcen nicht auf erfolgversprechende Disziplinen konzentriert werden, sondern das Geld breit gestreut werde. So habe der Deutsche Leichtathletikverband zwischen 2021 und 2023 mit über 30 Millionen Euro das meiste Geld aller Verbände erhalten - gewann in Paris aber nur vier Medaillen. Auch die Nachwuchsförderung misslinge, deutsche Sportschulen hätten immer weniger Bewerber.
"Es gibt Handlungsbedarf auf vielen Ebenen. Wir benötigen mehr Trainer und eine bessere Besoldung der Trainer. Das versuche ich seit vielen Jahren voranzubringen. Es ist noch nicht ganz gelungen", gestand Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, schon am Sonntag dem ZDF. Auch der Sport in der Schule und im Kindergarten sowie fehlendes Geld seien Probleme.
Andere Länder als Vorbild für Prämien
Schwimm-Weltmeisterin Angelina Köhler sieht als Anreiz für Sportler auch bei den Prämien für OIympia-Erfolge noch Luft nach oben. "Ich finde, es kann nicht sein, dass Leute beim "Sommerhaus der Stars" 50.000 Euro gewinnen und Athleten, die eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewinnen, nur 20.000 Euro", sagte die 23-Jährige der Nachrichtenagentur dpa mit Blick auf eine TV-Show. "Wir trainieren unser ganzes Leben dafür. Wir trainieren zehnmal die Woche und ich finde, es kann nicht sein, dass die Prämien so wenig sind."
In anderen Ländern sehe man auch, dass es gehe, sagte sie. So zahle etwa Singapur fast 700.000 Euro für eine Goldmedaille. Köhler hatte in Paris über 100 Meter Schmetterling den vierten Platz belegt.