Steinmeier zu Wohnungslosigkeit "Nicht hinnehmen, dass Menschen im Abseits leben"
In vielen deutschen Großstädten werden Straßenmagazine von Obdachlosen verkauft. In den Dezember-Ausgaben wird auch ein Interview mit dem Bundespräsidenten zu finden sein. Steinmeier fordert erneut mehr Hilfe für wohnungslose Menschen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich erneut dafür ausgesprochen, die Unterstützung für wohnungslose Menschen zu verbessern. Es gebe "Lücken im Hilfesystem, und nicht alle Hilfen kommen an", sagte Steinmeier in einem Interview, das in den Dezember-Ausgaben der deutschen Straßenmagazine erscheint. Hilfsangebote müssten besser zugänglich gemacht und die betroffenen Menschen stärker dabei unterstützt werden, passende Angebote zu finden und zu nutzen.
"In unserem wohlhabenden Land dürfen wir es nicht hinnehmen, dass Menschen im Abseits unserer Gesellschaft in Not und Elend leben", sagte der Bundespräsident. Auch die Vorsorge müsse verstärkt werden, damit Menschen ihre Wohnung erst gar nicht verlören oder obdachlos würden, forderte Steinmeier. "Dazu gehört eine engere Zusammenarbeit, etwa zwischen Jobcentern und Krankenkassen." Sie müssten möglichst schon aktiv werden können, bevor jemand in Wohnungsnot zu geraten drohe.
Wohnungslose trotz "dreifacher Krise" nicht vergessen
Aber auch die Aufmerksamkeit in der Gesellschaft sei wichtig. Steinmeier appellierte: "Wir müssen hinschauen und notfalls Hilfe holen, wenn Nachbarn oder Bekannte in solche Schwierigkeiten geraten." Auch wenn die Gesellschaft mit Corona, dem Klimawandel und dem Krieg in Europa derzeit von einer "dreifachen Krise" betroffen sei, dürfe der Kampf gegen Wohnungslosigkeit nicht aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung geraten. "Dazu will ich als Bundespräsident beitragen."
Mindestens 300.000 Menschen ohne eigene Wohnung
Wie viele Menschen in Deutschland kein eigenes Zuhause haben, ist unklar. Zu unterscheiden ist dabei zwischen den Begriffen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit. Als wohnungslos werden alle Menschen bezeichnet, die über keinen eigenen Wohnraum verfügen. Dazu gehören etwa Menschen, die in einer Notunterkunft leben. Die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes dazu stammen aus dem Januar. Demnach waren in Deutschland rund 178.000 Menschen wegen Wohnungslosigkeit in vorübergehenden Übernachtungsmöglichkeiten untergebracht. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Saarbrücken oder Potsdam.
Nicht erfasst wird, wie viele Wohnungslose bei Bekannten unterkommen oder als Obdachlose auf der Straße leben. Hierzu gibt es nur Schätzungen. Insgesamt dürften demnach mindestens 300.000 Menschen in Deutschland wohnungslos sein - mit steigender Tendenz.
Die Straßenmagazine, denen Steinmeier jetzt eine Interview gegeben hat, sind auch ein Hilfsangebot: Magazine wie "Fiftyfifty" in Düsseldorf oder "Asphalt" in Hannover werden in der Regel von Wohnungslosen und Menschen in prekären Lebenslagen verkauft und sichern ihnen ein gewisses Einkommen und eine Aufgabe.