Türkische Gemeinde nach Anschlag in Ankara "Jugendgruppen provozieren Demonstranten"
Nach den schweren Anschlägen in Ankara hat der Vorsitzende der türkischen Gemeinde vor Gewalt auch in Deutschland gewarnt. Die Eskalation in der Türkei verschärfe auch den Konflikt zwischen Türken und Kurden in Deutschland, so Sofuoglu im tagesschau-Interview.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat nach dem verheerenden Anschlag in Ankara vor gewaltsamen Auseinandersetzungen von Kurden und nationalistischen Türken auch in Deutschland gewarnt. Sowohl auf der türkischen als auch auf der kurdischen Seite sammelten sich Jugendgruppen, die versuchten, friedliche Demonstrationen zu provozieren, sagte er im tagesschau-Interview. Die türkische Gruppierung nenne sich Osmanen Germany und die kurdische Gruppe nenne sich Apo-Anhänger (nach dem PKK-Führer Abdullah Öcalan). Die Gruppen stünden noch in den Anfängen, doch man müsse aufpassen, da sie ein Potenzial von Jugendgewalt darstellten, so Sofuoglu.
"Konflikt in der Türkei verschärft auch den in Deutschland"
Aus Sicht des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde hat sich seit der vergangenen Wahl zum Staatspräsidenten in der Türkei (bei der Erdogans Partei die Mehrheit verloren hatte) der Konflikt bereits auch nach Deutschland verlagert. Viele Menschen in der Türkei gäben Erdogan die Schuld an den Anschlägen in der Türkei, weil er derjenige sei, der dort 13 Jahre lang allein geherrscht habe.
Özdemir will keine Gespräche mit Erdogan
Pessimistisch über die Entwicklung in der Türkei äußerte sich der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir. Er warf dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan vor, die Spannungen anzuheizen. "Offensichtlich wird hier daran gearbeitet, geordnete und faire Wahlen zu verhindern", sagte Özdemir der "Passauer Neuen Presse". "Wenn am 1. November reguläre demokratische Wahlen stattfinden, hätte Erdogan wieder keine Mehrheit. Das weiß auch er", sagte der Grünen-Politiker.
Gegenüber der Funke Mediengruppe forderte Özdemir, die Gespräche der EU mit Erdogan auf Eis zu legen: "Wir dürfen bis zur Wahl am 1. November nichts tun, was als Stärkung von Erdogan verstanden werden könnte. Jedes Abkommen wäre ein Signal, dass Erdogan für uns ein normaler Gesprächspartner wäre." Wer aber "den Tod seiner Bürger, Polizisten und Soldaten in Kauf nimmt", könne kein Staatschef sein. Vor diesem Hintergrund warnte der Grünen-Vorsitzende Europa auch davor, auf die Türkei als Partner zu setzen, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen.
"EU darf Erdogan nicht als normalen Gesprächspartner betrachten"
Es drohe "ein schmutziger Deal mit einem autoritären Herrscher". Dafür, dass Erdogan Europa die Flüchtlinge vom Leib halte, sollten die EU-Partner "die Augen zudrücken, wenn er sein Volk unterdrückt". Ein solcher Handel sei aber für Demokraten nicht akzeptabel: "Wer wie Erdogan die Kurden sogar im Nordirak und in Syrien bekämpft, der stärkt den IS und verstärkt die Fluchtursachen."
Die EU dürfe den türkischen Präsidenten "nicht mehr als normalen Gesprächs- und Verhandlungspartner betrachten", denn Erdogan und seine islamisch-konservative Partei AKP seien "zu allem entschlossen - auch zu undemokratischen Maßnahmen".
Özdemirs Forderungen im Umgang mit der Türkei hält der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde für das falsche Signal. Es sei wichtig, sagte Sofuoglu, dass die EU mit der Türkei die Gespräche wieder aufnehme. Die Türkei wegen ihres Staatspräsidenten zu isolieren sei der falsche Weg. Man müsse den Demokratisierungsprozess in der Türkei weiter unterstützen, forderte Sofuoglu.
Bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara am Samstag waren mindestens 97 Menschen getötet und mehr als 500 weitere verletzt worden. Zu der Tat hat sich bisher niemand bekannt.