Verdeckte PR im Internet Künstliche Kundenkommentare, gezüchtete Graswurzeln
Ein Firmenchef, der als vermeintlicher Kunde sein Produkt bei Amazon über den grünen Klee lobt. Eine Agentur, die hunderte Bewertungen für ein Shopping-Portal fälscht. Blogger, die hinter "Stuttgart 21"-Befürwortern gesteuerte Interessen vermuten. PR unter falschen Namen gilt Profis als tabu, ist im Web aber Realität.
Von Fiete Stegers, tagesschau.de
Es war der aufsehenerregende Tiefpunkt einer ungeschickten PR-Kampagne für den als deutsche iPad-Konkurrenz angepriesenen Tablett-Computer "WePad". Nachdem die Fachpresse erst begeistert, dann hämisch über das Gerät geschrieben hatte, fanden sich beim Online-Händler Amazon zwei ausgesprochen positive Kunden-Rezensionen. "Nicht sehr gut, sondern sehr sehr gut", befand ein "Peter Glaser" und vergab fünf Sternchen für das WePad. Deutliches Lob kam auch von einer "Claudia Kaden". Andere Internetnutzer argwöhnten jedoch rasch, dass es sich bei "Peter Glaser" um einen Amazon-Kunden handeln könnte, der kurz zuvor noch unter einem anderen dem Namen firmiert hatte. Und zwar als ""Helmut Hoffer von Ankershoffen" - so hieß der Chef der "WePad"-Herstellerfirma.
"Wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs"
"Da wurden viele Gerüchte verbreitet", erinnert sich Richard Gutjahr, als freier Journalist unter anderem für den BR tätig. Er vollzog die technischen Schritte zu einer möglichen Umbenennung des Nutzer-Profils in seinem Blog akribisch nach und hakte bei der "WePad"-Firma und Amazon nach. Tatsächlich musste Hoffer von Ankershoffen eingestehen, die Rezensionen selbst verfasst zu haben. Er zog sich sogar aus der Geschäftsführung zurück.
"Wahrscheinlich ist der Fall nur die Spitze eines Eisbergs", vermutet Gutjahr im Gespräch mit tagesschau.de. Dass Unternehmen unter fiktiven Nutzernamen bei Online-Händlern, Verbraucherportalen oder in Sozialen Netzwerke für eine positive Bewertung ihrer eigenen Produkte oder Dienstleistungen sorgten, sei gang und gäbe. "In diesem Fall ist es nur aufgefallen, weil die Rezensionen so extrem herausstachen."
"Klarer Verstoß gegen das Transparenzgebot"
So deckte der "Spiegel" auf, dass ein der Deutschen Telekom gehörendes Preisvergleichsportal hunderte vermeintlicher Kundenrezensionen produziert hatten, um damit den Anschein zu erwecken, die Website würde eifrig genutzt. Die Telekom distanzierte sich und schob die Verantwortung für die fiktiven Kommentare auf einen "übereifrigen Dienstleister". "So etwas verstößt ganz klar gegen das Transparenz-Gebot des Deutschen Rates für Public Relations", sagt Professor Thomas Pleil, der an der Hochschule Darmstadt angehende PR-Fachleute unterrichtet.
Der Deutscher Rat für Public Relations (DRPR) ist ähnlich wie der Deutsche Presserat ein freiwilliges Selbstkontrollorgan. Er wird von mehreren Branchenverbänden getragen. Bei Fehlverhalten kann er öffentliche Mahnungen und Rügen aussprechen, aber keine Strafen verhängen.
Dass derartige künstliche Kundenkommentare im Netz keine Seltenheit sind, bestätigt der Fachbuch-Autor Bernhard Jodeleit: "Ich hatte schon Preisangebote von Internet-Marketing-Agenturen, die mir zahlreiche, seit längerer Zeit im Netz etablierte User-Konten anboten." Über diese von der Agentur aufgebauten oder aufgekauften User-Profile hätten dann als vermeintlich glaubwürdige Privat-Nutzer die Botschaft ihres Auftraggebers verbreiten sollen.
"Mit geübtem Blick sieht man im Netz an vielen Stellen, dass dort mehrere positive Texte mit dem gleichen Duktus untereinander stehen." "Es gibt gerade bei Websites im Gesundheitsbereich bestimmte Auffälligkeiten", sagt Professor Pleil. "Ich habe das allerdings nicht empirisch untersucht."
Ein Preisvergleichsportal der Deutschen Telekom wurde laut "Spiegel" mit fiktiven Kundenkommentaren gefüttert.
"Häufig bleibt in Verdachtsfällen das Problem des Nachweises, wer hinter hinter einem Forumskommentar, einen Twitter- oder Facebook-Profil wirklich steckt" sagt Ulrich Müller von der Initiative Lobby Control. Die Initiative interessiert sich weniger für einzelne Produktbewertungen als für Versuche von politischer Meinungsbildung oder Einflussnahme. So deckte der Verein 2007 auf, dass die Deutsche Bahn eine verdeckte PR-Kampagne in Form von Foreneinträgen und Leserbriefen finanzierte.
Steuerung von "Stuttgart 21"-Befürwortern nicht nachweisbar
Ähnliche Manipulationsversuche witterten Blog- und Twitter-Nutzer auch im Fall "Stuttgart 21". Sie suchten nach Verbindungen zwischen besonders vehementen Fürsprechern des geplanten Bahnhofsbaus bei Twitter und plötzlich gegründeten Facebook-Unterstützergruppen zu Bahn und Stadt. In diesem Fall blieb es bei Verdächtigungen: "Es gibt keine eindeutigen Belege", sagt Müller.
Besonders im Fokus der Verdächtigungen stand der Stuttgarter Christian List, der Jogging-Läufe von Bahnhofsbefürwortern organisiert. List ist Geschäftsführer einer "Agentur für Begegnungsmarketing", die in der Vergangenheit bereits für die Stadt und die Bahn arbeitete. Sein Engagement für "Stuttgart 21" geschehe rein aus privatem Interesse, sagte List in mehreren Interviews. Ähnlich äußerte sich eine Agentur namens PR-Spezialisten, die Bahnhofsgegner auf Twitter als "Park-Stasi" und "Öko-Taliban" angriff: Sie habe ohne Auftrag gehandelt.
Natürlich können sich auch PR-Mitarbeiter und -Firmen ohne Auftrag aus Eigeninteresse gesellschaftlich engagieren. Wenn aber dieses Engagement ihr Arbeitsfeld berührt, "wird die Grenzziehung schwierig", meint Pleil.
"Wenn unsere Agentur eine neue Facebook-Seite für einen Kunden fertiggestellt hat, geht auch mal Kollege über den Flur und ruft: 'Kommt, werdet mal Fan von der Page!'", Dann machen das auch fünf Kollegen, damit die Seite ihre ersten Fans hat - aber natürlich unter ihrem richtigem Namen", sagt Fachbuchautor Jodeleit. "Wenn aber bewusst verschleiert wird, dann ist das Betrug." Letztlich könnten solche Undercover-Aktivitäten nicht nur dem jeweiligen Auftraggeber, sondern der Glaubwürdigkeit im Netz insgesamt Schaden zu fügen.
Diese verbreitete Lehrmeinung von PR-Rat und Fachbüchern teilen aber nicht alle in der Branche. So meint André Paris von der aus Eigeninteresse für "Stuttgart 21" twitternden Agentur: "Wenn wir dafür bezahlt werden würden, würden wir zu ganz anderen Mitteln greifen." Statt über den klar erkennbaren Firmen-Twitter-Account würde er dann Methoden wählen, die "nicht so transparent sind", sagt Paris dem BR.
"Wir brauchen gesetzliche Transparenzregeln"
"Die Versuchung ist groß, im Netz unsauber zu kommunizieren", meint PR-Professor Pleil. "Allerdings ist auch die Gefahr, dass es auffliegt, so groß wie nie zu vor." Dazu trügen auch kritische Weblogs wie "Stationäre Aufnahme" oder Lobby Control bei. Im August hat auch der PR-Rat seine Richtlinien für Online-PR nach längerer Diskussion schärfer formuliert, im Juli sprach er gegen die FDP eine öffentliche Mahnung wegen verdeckter Kommentare eines Parteimitarbeiters in einem Blog aus.
Lobby-Control-Vorstandsmitglied Müller reicht das nicht: "Der PR-Rat sagt, die Selbstregulierung ist ein scharfes Schwert. Aus unserer Sicht ist das nicht so. Wir bräuchten gesetzlich verpflichtende Transparenzregeln."