BAföG-Anträge Digitalisierung mit fatalen Folgen
Deutschlandweit kämpfen Studentenwerke mit der Digitalisierung der BAföG-Anträge. Studierende müssen lange auf ihr Geld warten. Neue Anträge werden erst nach Monaten bewilligt.
Studentinnen und Studenten müssen monatelang warten, bis nach einem Erstantrag staatliches Unterstützungsgeld auf ihrem Konto landet. Grund dafür sind eine fehlgeschlagene Digitalisierung der Anträge, immer neue Regeln und damit überarbeitete Ämter. Hinzu kommen ein hoher Krankenstand und Fachkräftemangel. Das ergeben Recherchen von funk, dem jungen Angebot von ARD und ZDF.
"Ich warte mittlerweile schon fünf Monate und einige meiner Freunde noch signifikant länger. Das ist wirklich sehr schwierig für Studenten, die aus nicht so guten Verhältnissen kommen zu überleben, geschweige denn auf das Studium zu fokussieren", berichtet der Student Daniel G. Er ist nicht der Einzige, der sich meldet. Immer wieder erreichen funk Nachrichten von verzweifelten Studenten.
Gerade zu Studienbeginn haben Studentinnen und Studenten hohe Ausgaben. Miete, Kaution, Einrichtungsgenstände, Semesterbeitrag und Lehrbücher kosten viel Geld, neben den ohnehin schon gestiegenen Lebenshaltungskosten. Junge Menschen aus weniger vermögenden Familien sind deshalb dringend auf staatliche Unterstützung angewiesen - Tendenz steigend. Etwa 467.000 Studentinnen und Studenten bekamen im vergangenen Jahr staatliche Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Rund ein Drittel aller Studentinnen und Studenten lebt laut Wohlfahrtsverband in Armut.
Personal eingestellt, um Onlineanträge auszudrucken
Doch um an dieses Geld zu kommen, muss ein Antrag ausgefüllt, mehrere Formblätter und ein Stapel an Nachweisen der Eltern eingereicht werden. Nur ein Bruchteil der eingereichten Anträge ist fehlerfrei. "Wir haben etwa einen Antrag unter 200, der vollständig ist", sagte eine Sachbearbeiterin aus Rheinland-Pfalz. Dass der Antrag seit Jahren ein Bürokratie-Monster ist, weiß auch die Bundesregierung. Nach Angaben des Deutschen Studentenwerks ergab eine Untersuchung des Normenkontrollrats der Bundesregierung aus dem Jahr 2010, dass 99 Prozent der Papier-Anträge - damals gab es kein digitalisiertes Antragsverfahren - unvollständig waren.
Zwar kann seit September 2021 mit BAföG-Digital in allen Bundesländern der Antrag online gestellt werden. Doch dann beginnen die Probleme. Laut dem Dachverband der bundesweit 57 Studenten- und Studierendenwerke hat die digitalisierte BAföG-Antragstellung "in der Praxis fatale Folgen". "Die BAföG-Ämter der Studierendenwerke müssen die online eingereichten BAföG-Anträge der Studierenden händisch ausdrucken. Die Drucklast in den BAföG-Ämtern ist so hoch, dass dafür eigens zusätzliches Personal eingestellt werden muss: um digitale Anträge auszudrucken. "Das ist Digitalisierung ad absurdum!", sagt der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Matthias Anbuhl.
Auch beim Papier selbst gibt es Engpässe. Im Jahresbericht des Studentenwerks Ost-Niedersachsen heißt es etwa: Papiermangel in der BAföG-Abteilung im Dezember 2021. Andere Abteilungen des Studentenwerks wurden um Hilfe gebeten.
Studentenwerke fordern Tempo bei der Digitalisierung
Die enorme Arbeitslast bestätigen mehrere Ämter und Angestellte in verschiedenen Bundesländern ganz offen. Vollständige Erstanträge zum Wintersemester, wenn viele neue Studenten an die Hochschulen kommen, werden frühestens nach zwei bis drei Monaten genehmigt. Bis das Geld auf dem Konto ist, können weitere Wochen vergehen. "Da die Förderungsleistungen nach dem BAföG am Ende des Monats für den Folgemonat im Voraus gezahlt werden, kann im ungünstigsten Fall zwischen der abschließenden Bearbeitung des Antrages und der Auszahlung an den Antragsteller ein Zeitraum von vier bis fünf Wochen liegen", heißt es von einer Stelle in Rheinland-Pfalz. Dass das Geld aufgrund der fehlgeschlagenen Digitalisierung, sich ständig ändernder Regeln und überarbeiteter Ämter erst nach einem halben Jahr ausgezahlt werde, sei kein Einzelfall, sondern Realität.
Aufgrund der langen Bearbeitungsdauer fragen vielen Studentinnen und Studenten an, wann denn ihr Geld endlich komme. "Es fehlt an einer Plattform, um verschlüsselt mit den Studierenden kommunizieren zu können", beklagt Anbuhl vom Deutschen Studentenwerk. Eingehende E-Mail-Anfragen müssten aus Datenschutzgründen stets per Briefpost beantwortet werden, sofern diese persönliche Daten beinhalten. Auch hier entsteht aufgrund fehlender Digitalisierung mehr Arbeit für Sachbearbeiter in den Ämtern für Ausbildungsförderung.
Um die Situation in den Griff zu bekommen, fordert das Deutsche Studentenwerk die schnelle Einführung einer E-Akte und E-Bescheide für die schnellere Kommunikation mit den Studenten. Ein Hoffnungsschimmer ist in Sachsen-Anhalt zu sehen, denn das Land, in dem BAföG-Digital federführend für alle Bundesländer entwickelt und zuerst eingeführt wurde, beginnt laut dem dortigen Wissenschaftsministerium 2023 mit der Einführung einer BAföG-E-Akte.