Qu Donyu
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UN-Ernährungsorganisation Der fragwürdige Umgang der FAO mit Pestiziden

Stand: 04.07.2023 13:11 Uhr

Die UN-Ernährungsorganisation FAO will Pestizide nur als "letztes Mittel" zum Einsatz kommen lassen. Doch tatsächlich gibt sie solche unter ihrem chinesischen Chef Qu massenweise für Projekte frei. Experten fordern nun Transparenz.

Von Lucas Grothe, Nadja Malak, Andreas Rummel, MDR und Eva Achinger, Arne Meyer-Fünffinger, Alexander Nabert, BR

Thiram, Acetochlor, Atrazin, Paraquat - das sind Pestizidwirkstoffe, die in der EU wegen ihrer Toxizität für die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt verboten sind. Dennoch gab die UN-Welternährungsorganisation FAO Pestizide mit solch umstrittenen Wirkstoffen massenweise für die Verwendung bei ihren Projekten im Globalen Süden frei: für mehr als 100 Lieferungen in mehr als 30 Länder.

Das sind nur die in der EU verbotenen Wirkstoffe. Insgesamt sind es mehr als 300 Lieferungen chemischer Pestizide, die von der FAO unter deren Generaldirektor Qu Donyu seit 2020 bis heute freigegeben wurden. Er wurde am Wochenende mit großer Mehrheit wiedergewählt.

Bekannt geworden war dies durch die Veröffentlichung einer gemeinsamen Recherche der Sender BR, MDR, rbb und SWR. Freigaben gab es laut interner Unterlagen für Länder in Afrika, Asien und Ozeanien. In Afrika sind unter anderem Malawi, Sambia, Kamerun und Nigeria darunter. In Asien waren es unter anderem Afghanistan, Aserbaidschan und die Philippinen. Besonders viele Lieferfreigaben erfolgten für Georgien. Auch die Fidschi-Inseln und Kiribati in Ozeanien waren dabei.

Fraglich ist weiterhin, wie die massenhaften Pestizidlieferungen zum Konzept des Integrierten Pflanzenschutzes (IPM) passen, das die FAO auch unter Führung von Qu Dongyu bei vielen Gelegenheiten betont. Bei diesem Ansatz gehe es um die Wahl widerstandsfähiger Sorten sowie um Schädlingsbekämpfung möglichst mit biologischen Mitteln, heißt es.

Seit Langem bekennt sich die FAO dazu, dass chemische Pestizide nur als "letztes Mittel" zum Einsatz kommen sollten, und es galt immer als Ziel, die Abhängigkeit von Kleinbauern im Globalen Süden von Pestiziden zu senken.

Warum gab die FAO umstrittene Pestizidlieferungen frei?

Wie erklären sich nun die Hunderte von Pestizidlieferungen seit dem Amtsantritt von Qu Dongyu? Besondere Brisanz erhalten sie vor dem Hintergrund der Partnerschaften, die die FAO unter seiner Führung schloss und die international viel Kritik hervorriefen: Partnerschaften zum einen mit dem Verband der Agrarchemie, Croplife, und zum anderen direkt mit dem Agrarchemiekonzern Syngenta, einem mittlerweile chinesischen Staatskonzern. Croplife erklärte allerdings, von diesen zahlreichen Pestizidlieferungen keine Kenntnis zu haben.

Auf entsprechende Anfragen des ARD-Rechercheteams erklärte die FAO zunächst nur ganz allgemein, die gelieferten Pestizide müssten im Empfängerland zugelassen sein und es dürfe sich nicht um hochgefährliche Pestizide handeln (sogenannten HHPs, highly hazardous pesticides). Außerdem könnten Pestizide der WHO-Gefahrenklasse II (moderately hazardous) nur dann in FAO-Projekten Verwendung finden, wenn keine sichereren Alternativen für den angestrebten Zweck verfügbar seien.

Nicht beantwortet war damit jedoch die Frage, wieso in mehr als 300 Fällen die Anwendung chemischer Pestizide unvermeidbar war - und in mehr als 130 davon auch noch solche, die in Europa wegen ihrer Toxizität verboten sind? Und warum es zu den Pestiziden, nach denen konkret gefragt war - Thiram, Paraquat, Acetochlor, Atrazin, Thiamethoxam - keine sicheren Alternativen geben sollte.

Forderung nach Transparenz in der FAO

Hans Dreyer ist der frühere Leiter der FAO-Division für Pflanzenproduktion und Pflanzenschutz, die auch für die Pestizide zuständig ist. Er hatte sich über die vielfältigen Lieferungen sehr toxischer Pestizide durch die FAO schockiert gezeigt. So etwas habe zu seiner Zeit nicht gegeben. Dreyer schied einige Monate nach dem Amtsantritt von Qu Dongyu Ende 2019 aus der FAO aus. Er zeigte sich auch sehr besorgt über das Kommunikationsverhalten der FAO. Seiner Ansicht nach sei es nötig, das Vertrauen in die FAO zu stärken. Das gelinge nur mit Transparenz.

Ähnlich sieht das der Direktor der britischen Sektion der NGO Pesticide Action Network (PAN), Keith Tyrell. Er ist Mitglied in mehreren FAO-Expertengremien. "Die FAO ist eine öffentliche Organisation, finanziert von Geldern der Öffentlichkeit. Sie sollten Rechenschaft darüber ablegen, wofür sie dieses Geld ausgeben. Transparenz sollte allen UN-Organisationen am Herzen liegen. Das darf nicht versteckt werden hinter irgendeiner Art von Vertraulichkeit, wie sie vielleicht im Privatsektor üblich sein mag. Eben weil die FAO eine öffentliche Körperschaft ist, finanziert von unserem Geld."

Kritik aus der FDP

Deutschland ist einer der größten Geldgeber der FAO. Am Montag sagte ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf die Frage nach dem Wahlverhalten Deutschlands lediglich, es habe ja nur einen Kandidaten gegeben, deshalb glaube er nicht, dass es da große Überraschungen gegeben habe. Die Wahl des FAO-Generaldirektors sei aber geheim. Grundsätzlich sei die FAO zu Neutralität verpflichtet. Das gelte ganz besonders für das Leitungspersonal.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Renata Alt, sagte mit Blick auf die FAO: "Wenn ein Anfangsverdacht besteht, dass unser systemischer Rivale China die FAO für eigene politische Zwecke nutzt, müssen wir uns ernsthaft fragen, inwiefern eine weitere Finanzierung der FAO angemessen ist."

Es sei wichtig, eine Diskussion darüber zu forcieren, so Alt. Hier sehe sie vor allem das Auswärtige Amt und das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Bringschuld. "Es gibt sicherlich rechtliche Hürden und strategische Überlegungen, warum Zahlungen an die FAO weiterhin wichtig sind", sagte Alt, die auch Mitglied im FDP-Bundesvorstand ist. "Aber nach so einem Bericht können wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen sehr genau beobachten, wie das Geld deutscher Steuerzahler genutzt wird."

Viele Syngenta-Produkte

Auffällig ist, dass Pestizide, für die die FAO Lieferfreigaben erteilte, soweit sie einem konkreten Konzern zugeordnet werden konnten, mit großer Mehrheit Produkte des chinesischen Konzerns Syngenta waren, gefolgt in größerem Abstand von Produkten der deutschen Bayer AG. Die FAO äußerte sich auf Anfrage nicht dazu. Auch Syngenta antwortete auf mehrere Anfragen dazu nicht. Der Bayer-Konzern gab an, nur in einem Fall Pestizide gespendet, ansonsten keine Pestizide im Zusammenhang mit der FAO geliefert zu haben. Allerdings können die Pestizide auch von Unterhändlern geliefert worden sein.

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