Blogger Tumso Abdurachmanow Kadyrow-Gegner in Schweden verschwunden
Ein prominenter Gegner von Tschetscheniens Machthaber Kadyrow wird in Schweden vermisst. Doch Polizei und Anwälte sagen nichts. Gegen den Blogger und seinen Bruder in Deutschland gab es bereits Mordkomplotte.
Seit Tagen machen sich Freunde, Bekannte und Angehörige Sorgen um den prominenten tschetschenischen Blogger Tumso Abdurachmonow. Der Gegner von Machthaber Ramsan Kadyrow antwortet nicht auf Anrufe und Nachrichten. Seit dem 30. November veröffentlichte er nichts mehr in seinem Telegram-Kanal unter dem Namen Abu Saddam Shishani.
Nun gibt es Medienberichte mit Bezugnahme auf Personen aus der tschetschenischen Gemeinschaft in Russland und im Ausland, er sei in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember erschossen worden. Sein Bruder Mochmad sei zu seinem Schutz in Gewahrsam der Polizei genommen worden. Mochmad lebte seit einigen Jahren in Bayern.
Doch eine Bestätigung der schwedischen Behörden fehlt bislang. Die Polizei in Stockholm teilte mit, ihr seien die Medienberichte bekannt. Sie könne diese jedoch nicht bestätigen oder in irgendeiner Weise kommentieren. Auch die Anwälte von Tumso und Mochmad in Schweden und Deutschland äußerten sich auf Anfrage nicht.
Gerichtsprozesse wegen Attentatsplänen
Tumso und Mochmad sind seit langem als ausgesprochene Kritiker Kadyrows und seines Regimes bekannt und äußern sich in sozialen Medien entsprechend. Gegen beide gab es bereits Mordkomplotte. Diese konnten vereitelt werden.
2021 wurden in Schweden zwei russische Staatsbürger aus Tschetschenien wegen eines Attentatsversuchs auf Tumso zu langen Haftstrafen verurteilt. Tumso hatte dort politisches Asyl erhalten, nachdem er 2015 aus Tschetschenien geflohen war.
In München läuft derzeit ein Gerichtsprozess gegen den russischen Staatsbürger Walid D. Er soll als Mittelsmann einen Mord an Mochmad bei einem weiteren Tschetschenen in Auftrag gegeben haben, der sich aber Mochmad und der Polizei in München offenbarte.
Daraufhin wurde Walid D. festgenommen. Bei ihm wurde eine Pistole vom Typ Makarow mit einem Schalldämpfer und Magazine mit Munition gefunden. Der Tschetschene lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Vor dem Oberlandesgericht München muss er sich derzeit wegen Verabredung zum Mord und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Tat "im Auftrag staatlicher Stellen der russischen Teilrepublik Tschetschenien" verantworten.
Mutmaßlicher Mittelsmann für Verfassungsschutz tätig
Allerdings soll Walid auch für den deutschen Verfassungsschutz tätig gewesen sein, wie ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes inzwischen vor Gericht bestätigte. Ein Ansprechpartner von Walid D. beim Landesverfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommerns soll ihm Mochmads Adresse besorgt haben. In dieser Woche sagen zwei Verfassungschutzmitarbeiter vor Gericht aus, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch mehrere tschetschenische Zeugen sprachen vor verschlossenen Türen. Bei ihnen gab es Sicherheitsbedenken.
Tumso allerdings sagte Anfang November, zwar begleitet von schwer bewaffneten Polizisten, aber vor Publikum aus. Er glaube, dass sein Bruder Mochmad zum Ziel auserkoren worden sei, weil der Anschlag gegen ihn vereitelt und er in Schweden unter Schutz gestellt worden sei.
Für Unabhängigkeit von Russland
Die Brüder setzen sich wie viele Exil-Tschetschenen nicht nur gegen das Regime Kadyrows ein, den sie als Herrscher von Gnaden Moskaus ansehen. Sie streben auch eine Unabhängigkeit Tschetscheniens als eigenständige Republik "Itschkeria" an. In zwei Kriegen seit dem Zerfall der Sowjetunion kämpften Tschetschenen unter großen Verlusten für dieses Ziel. Nachdem die Kadyrows die Macht übernommen hatten, stabilisierte sich die Lage in Tschetschenen - um den Preis einer Diktatur.
Viele Tschetschenen kämpfen derzeit in der Ukraine gegen die russischen Truppen. Kürzlich erkannte die Ukraine - in einem symbolischen, aber ernst gemeinten Akt - Tschetschenien als unabhängig an.
Die Führung Tschetscheniens wiederum verfolgt ihre Gegner gnadenlos. Gegen Tumso und seine Familie schwor sie Blutrache. Tumso zufolge wurden viele Familienmitglieder in Tschetschenien verhaftet. Er und Mochmad erhielten praktisch täglich Morddrohungen.
Kaum Berichte aus Schweden
Auch das Opfer im Berliner "Tiergartenmord", der Tschetschene Selimchan Changoschwili, war ein Gegner Russlands. Er allerdings wurde er nach Erkenntnissen der Ermittler aus Rache für Taten im Zweiten Tschetschenienkrieg im Auftrag zentraler staatlicher Stellen Russlands getötet. Der verurteilte Mörder ist ein Russe mit Verbindungen zum Geheimdienst FSB und der Sondereinheit Wympel. Er beging die Tat mitten am Tag in einem belebten Park.
Sollte Tumso etwas zugestoßen sein, dann offenbar ohne dass es Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte. Bislang gibt es kaum Medienberichte aus Schweden zum Verbleib der Brüder. "Aftonbladet" aus Stockholm berichtete lediglich, Tumso werde vermisst. Die Zeitung zitierte die Polizei, dass diese die Medienberichte nicht kommentieren könne.