CDU nach der Berlin-Wahl Plötzlich Protestpartei
Die CDU hat in Berlin wegen der Schwächen der anderen Parteien gewonnen, weniger aufgrund eigener Stärken. Doch vor allem im Bund muss die CDU ihr Profil schärfen. Für viele Menschen hat sie nichts im Angebot.
Man glaubt es kaum, aber die CDU ist jetzt Protestpartei. Ein Drittel der Wählerinnen und Wähler in Berlin hat die CDU gewählt. Nicht aus Begeisterung wegen deren Inhalte und Personal, sondern aus Unzufriedenheit mit den anderen Parteien. Aus Enttäuschung über die Regierung aus SPD, Grünen und Linken.
Es ist ein Armutszeugnis. Die CDU - ein Auffangbecken für Frustrierte. Die jubelt jetzt und feiert sich, sie ist unbestritten die Wahlgewinnerin. Sie hat die anderen deklassiert und ist mit großem Abstand als Erste durchs Ziel gegangen. Dass sie regieren wird, ist aber längst nicht klar. Weder SPD noch Grüne träumen davon, mit der CDU in Berlin zu koalieren und Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister zu machen.
Gut möglich, dass die CDU mit einem Kater aufwachen wird. Und wenn sie dann die Wahl analysiert, wird ihr auch noch etwas anderes übel aufstoßen. Jeder Zweite in Berlin traut der CDU gar nicht zu, es besser zu machen als die anderen. Vom Gegenteil sind nur die eigenen Anhänger und die der FDP überzeugt. FDP? Ja, das ist die Partei, die mal natürliche Koalitionspartnerin der Union war. Aus und vorbei.
Vor allem auf Bundesebene muss die CDU nacharbeiten
Die Union muss andere Partner finden, aber vorher an ihrem Profil arbeiten. Überzeugungsarbeit leisten. Das gilt vor allem für die Union auf Bundesebene. Denn auch da profitiert sie von der Schwäche der Ampel. Unzufriedenheit und Enttäuschung mit der selbsternannten Fortschrittskoalition verschaffen der Union Aufwind.
Aber darauf kann sie nicht bauen. Die CDU laboriert immer noch umständlich an ihrem Grundsatzprogramm, hat bis heute nicht vermittelt, wofür sie eigentlich steht. Ist lediglich ein bisschen aus der Merkel-Mitte herausgerückt und erklärt in Dauerschleife, was die anderen ihrer Meinung nach alles falsch machen. Das aber ist zu wenig, um zu überzeugen.
Nichts zu bieten für junge Leute
Die Umfragen zeigen es: Die Union kommt im Bund noch nicht mal an die 30 Prozent heran. Ein Blick auf die Wähler der CDU in Berlin zeigt das nächste Dilemma: 38 Prozent sind älter als 60 Jahre - und das ausgerechnet in Berlin. Selbst hier schafft es die CDU nicht, junge Leute zu gewinnen.
Sie hat kein Angebot für sie, genauso wenig wie für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Die Parteispitze hat all das zwar erkannt - aktiv muss sie aber erst noch werden. Auf den Ampel-Frust der Wähler sollte sie jedenfalls nicht bauen. Wer weiß, was davon in drei Jahren noch übrig ist.
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