Neue EU-Kommission bestätigt Mit der Raffinesse eines Renaissancefürsten
EU-Kommissionspräsident Barroso hat lange um die Bestätigung seiner neuen Mannschaft kämpfen müssen. Nun hat er die Zustimmung des EU-Parlaments bekommen und darf zufrieden sein. Dass Europa aber viel Freude an der neuen Kommission haben wird, darf bezweifelt werden.
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
Habemus commissionem - wir haben eine Kommission. Kurz nach 14 Uhr hätte eigentlich weißer Rauch aufsteigen müssen über dem Kuppeldach des Europäischen Parlaments. Die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten hat Barroso gewollt und die Kommission, der er nun schon zum zweiten Mal vorsteht.
Sechs Monate hat es gedauert bis zu dieser Wahl, sechs lange Monate, in denen die Europäische Union rein formal gesehen etwas kopflos erschien: Erst verzögerte sich die Ratifizierung des Reformvertrages von Lissabon, dann die Ernennung Barrosos zum Kommissions-Präsidenten, dann die Bestätigung einiger umstrittener Kommissare. Es war ein elendes europäisches Hin und Her - aber so richtig gelitten darunter hat vermutlich nur das engere Führungspersonal in der EU; allen voran Barroso selbst, der Kommissionspräsident, der bei jeder Gelegenheit darauf hinwies, wie wichtig er sei für die Zukunft Europas – er und die 26 EU-Kommissare.
Da hat der Portugiese nicht mal so unrecht. Die Brüsseler Behörde ist mit ihren 38.000 Mitarbeitern das zentrale Organ der EU. Sie soll europaweit gültige Gesetze entwerfen und dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten die oft mühsam ausgehandelten europäischen Verträge auch respektieren. Am mühsamsten war der Reformvertrag von Lissabon. Dieser Vertrag, so wurde uns immer wieder erklärt, mache endlich alles gut in der EU, mache sie demokratischer, transparenter, gebe ihr mehr Gewicht und Gesicht in der Welt.
Willkommene Kompetenzstreitereien
Nun haben wir den Vertrag - und erkennen beim näheren Betrachten dieser neuen EU-Kommission, was übrig geblieben ist von der großen Europareform: Mit der Raffinesse eines Renaissancefürsten, der nach dem Prinzip "teile und herrsche" verfährt, hat sich Barroso einen ihm gefügigen Verwaltungsapparat zusammengestellt; mit Kompetenzen, die sich überschneiden, mit Kommissaren, die zwangsläufig um Zuständigkeiten konkurrieren.
Am schlimmsten hat es die jetzt schon bemitleidenswerte Lady Ashton erwischten. Als europäische Außenministerin soll sie gemäß Lissaboner Vertrag ein vereintes Europa in einer krisengeschüttelten Welt repräsentieren. In der neuen EU-Kommission bekommt es Lady Asthon aber zunächst mal mit Kommissar Füle aus Finnland zu tun, der verantwortlich ist für Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik. Und mit dem für Entwicklungspolitik zuständigen Kommissar Piebalgs. Nicht zu vergessen eine bulgarische Kommissarin für humanitäre Kriseninterventionen.
Was da noch übrig bleibt für Europas Stimme in der Welt meldeten gestern einige Nachrichtenagenturen: Lady Ashton habe die ukrainische Bevölkerung zur hohen Wahlbeteilung bei den Präsidentschaftswahlen beglückwünscht. So präsentiert es sich also, das neue Europa im Zeichen des Lissaboner Vertrags. Barak Obama hat erste Konsequenzen daraus gezogen und seine Teilnahme am geplanten EU-USA-Gipfel absagen lassen. Es sei nicht klar, wer für was in Europa zuständig sei, hieß es in Washington. In Straßburg hat das die Mehrheit der Abgeordneten aber nicht weiter gestört.
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