Hintergrund

Chinas Einfluss auf die Entwicklung in Birma Pekings Dilemma

Stand: 27.09.2007 02:08 Uhr

China kommt in Birma eine Schlüsselrolle zu. Kein anderes Land der Region hat so enge wirtschaftliche und politische Bindungen zu Birma wie die Volksrepublik. Aber die anhaltenden Proteste bei ihrem südlichen Nachbarn werfen auch für die Chinesen neue Fragen auf.

China kommt in Birma eine Schlüsselrolle zu. Kein anderes Land der Region hat so enge wirtschaftliche und politische Bindungen zu Birma wie die Volksrepublik. Aber die anhaltenden Proteste bei ihrem südlichen Nachbarn werfen auch für die Chinesen neue Fragen auf.

Von Ruth Kirchner, ARD-Hörfunkstudio Peking

Die Chinesen stecken in einem Dilemma. Auf der einen Seite sind sie am Status Quo in Birma interessiert, denn dort verfolgen sie wirtschaftliche und strategische Interessen. Auf der anderen Seite fürchten sie um ihr eigenes Image, gelten sie doch als der wichtigste Partner und Verbündete der Birmesen. Eine blutige Niederschlagung der Proteste dort könnte daher negative Auswirkungen auf Chinas Ansehen in der Weltöffentlichkeit haben.

Öffentlich hält die chinesische Führung an ihrer Politik der Nicht-Einmischung fest. Außenamtssprecherin Jiang Yu rief in ihrer ersten Stellungnahme zu den Protesten zugleich aber die birmesische Militärführung zur Mäßigung auf. "Als ein Nachbar von Birma wünschen wir uns Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung in Birma", sagte sie. "Wir hoffen, dass die Regierung und das Volk angemessen mit den gegenwärtigen Fragen umgehen."

Gas, Teakholz und Edelsteine aus Birma

Hinter den Kulissen versucht Peking schon seit längerem, sanften Druck auf Birmas Generäle auszuüben. So gut wie unbemerkt von der Weltöffentlichkeit hatte China die Militärführung bereits vor zwei Wochen aufgefordert, die nationale Aussöhnung voranzutreiben, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua damals berichtete. Aber wie viel Einfluss Peking tatsächlich auf Birma hat, ist weitgehend unklar. Und ob man diesen Einfluss jetzt geltend macht, weiß niemand genau. China ist der wichtigste Handelspartner Birmas.

Für ihren Wirtschaftsboom braucht die Volksrepublik Rohstoffe und Energie - und genau das hat Birma zu bieten, sagt Sean Turnell von der australischen Macquarie Universität in Sydney, "das wichtigste sind die Gasvorkommen vor der Küste Birmas." Zurzeit verhandelten China und Birma über eine Gaspipeline von der Bucht von Bengalen bis in die chinesische Provinz Yunnan, sagt er. "Das wäre ein sehr großes Projekt", meint Turnell. "Außerdem liefert Birma vor allem Teakholz und Edelsteine an China."

Chinas sicherheitspolitisches Kalkül

China baut zudem Birmas Infrastruktur aus. Mit großzügigen Krediten der chinesischen Entwicklungsbank werden Straßen und Eisenbahnlinien gebaut. Zugleich ist Birma ein wichtiger Absatzmarkt für chinesische Produkte, vor allem für Billigwaren aus Yunnan. Und dann sind da die strategischen Interessen. Wen Min von der Pekinger Universität sagt, die geografische Lage Birmas sei von entscheidender Bedeutung. "Das Land ist ein natürlicher Korridor für uns zum Indischen Ozean", meint er. Das helfe zum einen der Entwicklung der Region im Südwesten.

Aber auch aus sicherheitspolitischen Überlegungen heraus sei es wichtig, gute Beziehungen zu Birma zu unterhalten. In der Vergangenheit hielt China denn auch seine schützende Hand über das Militärregime. Als im Januar der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Menschenrechtslage in Birma verabschieden wollte, legte China sein Veto ein. Und auch die neuen Sanktionen, die die USA in dieser Woche verkündeten, lehnt Peking ab, sagt Professor Wen Min. "Sanktionen haben negative Auswirkungen und schaden vor allem dem Volk." Die Regierung könne man damit nicht treffen, meint er. Sanktionen machten die Lage unter Umständen sogar schlimmer.

Fehler aus Darfur nicht wiederholen

Aber dass die Politik der Nichteinmischung ihre Grenzen hat, wissen sowohl Wen Min als auch die politische Führung in Peking. Das Festhalten am Status Quo und die Verfolgung rein wirtschaftlicher Interessen kann negative Auswirkungen auf das eigene Land haben. Diese Lektion hat die chinesische Führung bei der humanitären Tragödie im Sudan gelernt, wo man aus Rücksicht auf die Öl-Interessen viel zu lange zögerte, sich dem Kurs der UN anzuschließen, und sich schließlich Aufrufe zum Boykott der Olympischen Spiele einhandelte.

Den gleichen Fehler will man offenbar nicht wieder machen, daher jetzt die stille Diplomatie in Birma. Sean Turnell sagt, für China steht eine Menge auf dem Spiel. "Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking will die Führung nicht schon wieder für die Unterstützung eines despotischen Regimes an den Pranger gestellt werden", meint er. Das gebe Anlass zu Optimismus, dass China seinen Einfluss in Birma gelten machen könnte. "Ob die birmesischen Generäle auf Peking hören, wage ich zu bezweifeln", sagt Turnell, "aber es ist zumindest einen Versuch Wert."

Und auch Wen Min hofft, dass China in Birma auf eine friedliche Lösung hinarbeiten kann. Dass eine mögliche demokratische Entwicklung dort als Bedrohung für den kommunistischen Einparteienstaat gesehen werden könnte, glaubt er nicht. "China sollte eine derartige Entwicklung begrüßen", sagt er. "Wir würden doch von einem demokratischen, friedlichen Birma nur profitieren. Wirtschaftlich ginge es den Menschen dann besser - warum sollen wir uns dagegen sperren." Aber noch ist in Birma alles offen. Und wieweit Chinas Einfluss tatsächlich reicht und ob Peking ihn geltend machen kann, muss sich erst noch erweisen.