Kommentar "Mehr symbolische als handfeste Bedeutung"
Von Wim Dohrenbusch, ARD-Hörfunkstudio Nairobi
Kann ein europäischer Militäreinsatz in Kongo, können rund 1500 Mann wirklich Frieden schaffen und halbwegs demokratische Wahlen sicherstellen? Und was kommt auf die Soldaten aus Deutschland, Frankreich und anderen EU-Mitgliedsstaaten in diesem Moloch von der Größe Westeuropas zu? Einfache und eindeutige Antworten gibt es auf diese Fragen nicht.
Seit Jahrzehnten herrschen im Kongo Diktatur, Chaos und Terror. Der brutalste Krieg in der Geschichte Afrikas wurde – offiziell jedenfalls - erst vor drei Jahren beendet. Vier Millionen Menschen sind in Folge der Kämpfe, von Hunger und Krankheiten ums Leben gekommen. Heute sitzen ehemalige Kriegsherren in der Übergangsregierung von Präsident Joseph Kabila. Deren Milizen plündern weiter die Rohstoffe des Landes aus, kontrollieren die Grenzen, treiben Zölle und Fantasiesteuern ein. Mit Folter, Vergewaltigungen und Massakern versetzen die Banditen in Uniform die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken. An die Stelle staatlicher Strukturen ist mittelalterliches Raubrittertum getreten.
Abwägen von Chancen und Risiken
17.000 UN-Blauhelme sind schon im Kongo stationiert, um diesem Chaos Einhalt zu gebieten. Mühsam versuchen sie die Menschen zu schützen und die wütende Soldateska zu entwaffnen. Mit der Überwachung der Wahlen wären sie allein völlig überfordert. Beim Abwägen von Chancen und Risiken des Kongo-Einsatzes müssen die Verantwortlichen die Frage also auch anders herum stellen: Was ist, wenn die Europäer kneifen würden, oder – noch schlimmer – wenn sich herumspräche, dass sie nur kämen, um die eigenen Landsleute im Notfall zu evakuieren? Man würde Soldaten aus Bangladesh, Uruguay, Marokko oder Nepal allein die Drecksarbeit und die Verantwortung überlassen. Und man würde denen in die Hände spielen, die gar kein Interesse an Wahlen im Kongo haben: Nämlich den Warlords, die jetzt in der Übergangsregierung sitzen und die in einer demokratischen Abstimmung verlieren würden, was sie mit Waffengewalt erobert haben.
In der Hauptstadt Kinshasa geht es vergleichsweise gesittet zu. Aber dort werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Und dort ist jetzt ein eindeutiges Signal nötig, damit die Strippenzieher des Wahnsinns begreifen, dass es so nicht weitergehen kann. Die Menschen in Kinshasa werden die Europäer mit offenen Armen empfangen, denn von den eigenen Sicherheitskräften werden sie drangsaliert. So merkwürdig es auch klingen mag: Weiße Soldaten in gepflegten Uniformen versprechen wirklich Ruhe und Ordnung.
Mehr symbolische als handfeste Bedeutung
Natürlich können 1500 europäische Soldaten nicht in vier Monaten einen Job erledigen, mit dem sich mehr als zehnmal so viele Truppen aus aller Welt seit Jahren quälen. Vielleicht hat dieser Einsatz mehr symbolische als handfeste Bedeutung. Aber dennoch ist der EU-Militäreinsatz nötig, egal wie lange er am Ende dauert. Denn es geht um die Glaubwürdigkeit Europas im Kongo und in ganz Afrika. Wenn die EU es ernst meint mit ihrem Interesse an Afrika und ihrem Engagement auf dem Kontinent, dann sind ein paar hundert Soldaten in Kinshasa nicht zuviel verlangt.