Eine Betreuerin läuft mit mehreren Kleinkindern über einen Bürgersteig.
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Kinderbetreuung Wie Firmen die Personalnot in Kitas lindern können

Stand: 27.04.2024 15:22 Uhr

Deutschlandweit fehlt Personal zur Kinderbetreuung. Das ist ein Problem auch für die Wirtschaft. Manche Betriebe nehmen das Problem daher selbst in die Hand.

Von Anna Dannecker, br

"Seit Wochen ist der erste Blick morgens direkt beim Aufstehen aufs Handy in die Kita-App: Habe ich Betreuung oder nicht?", erzählt die Münchnerin Jeannette Gebauer. "Das ist wirklich belastend." Gebauer arbeitet in Teilzeit, ihre Kinder sollten eigentlich in den Kindergarten und die Krippe gehen.

Doch seit Weihnachten habe es keine Woche gegeben, in der beide Kinder vollständig betreut waren, sagt sie. Wegen Krankheitsfällen und Personalmangels habe die Kita oft außerplanmäßig zu. Außerdem seien die Gebühren erhöht worden. Falls Gebauer keine andere Betreuungsmöglichkeit findet, befürchtet sie, ihren Job erstmal unterbrechen zu müssen: Sie werde dann notgedrungen ein weiteres Jahr Elternzeit nehmen müssen.

Wenn die Kinderbetreuung regelmäßig ausfällt

Gebauer ist kein Einzelfall. Laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung kennen knapp zwei Drittel aller Eltern regelmäßige Betreuungsausfälle in den Kitas. Viele Eltern versuchten zunächst, die Engpässe mit Urlaub oder mit Abbau von Überstunden auszugleichen, sagt Bettina Kohlrausch, Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Stiftung. "Aber ein Drittel der betroffenen Eltern hat gesagt, dass sie ihre Arbeitszeiten wegen der unzuverlässigen Betreuungssituation gekürzt haben."

Es ist also ein Problem mit volkswirtschaftlichen Konsequenzen. "Das sind natürlich Arbeitskräfte, die gerade in Zeiten von Fachkräftemangel einfach fehlen", so Kohlrausch. Die fehlende Erwerbsarbeit - vor allem der Mütter - machten sich in höheren Sozialausgaben und geringeren Steuereinnahmen bemerkbar.

Der volkswirtschaftliche Schaden lasse sich zwar nicht genau beziffern. Aber dazu komme eine weitere Folge der vielen Schließungen: Die nötige frühkindliche Bildung leide. "Auch in zwanzig bis dreißig Jahren werden ausgebildete Fachkräfte dringend gebraucht", so Kohlrausch, die auch Professorin an der Universität Paderborn ist. Der Kita-Personalmangel wird somit auch zur langfristigen Herausforderung für Unternehmen.

Kofinanzierung von "Mini-Kitas" als Modell

Manche Arbeitgeber - auch kleinere und mittlere Unternehmen - nehmen die Kinderbetreuung deswegen selbst in die Hand. Wie zum Beispiel Sabine Fuchsberger-Paukert, Geschäftsführerin eines Münchner Arznei-Großhandels mit rund 80 Mitarbeitenden. Sie hat mithilfe des Trägers "Sira" an der Münchner Friedenheimer Brücke eine Großtagespflege initiiert und finanziert drei von zehn Betreuungsplätzen mit: einmalig mit je 5.000 Euro pro Platz, dazu 390 Euro für die Eltern pro Monat - die Hälfte der anfallenden Gebühren.

Dafür hat die Arbeitgeberin die drei Plätze zehn Jahre lang reserviert. Für die Apothekerin ist die "Mini-Kita" unterm Strich ein Gewinn, erzählt sie: "Ich zahle das für meine Mitarbeiter, weil ich damit ein attraktiver Arbeitgeber bin. Es sind einfach Personalnebenkosten, die ich ausgebe für Mitarbeiter und die ich dann wieder zurückhole."

Mehr Personalstunden, weniger Personalausfälle

Was für die Unternehmerin "verschwindend geringe" Personalnebenkosten sind, ist für den Kita-Träger "Sira" eine dringend nötige Finanzspritze. Denn so können mehr Personalstunden kalkuliert und Krankheitsfälle besser abgefedert werden.

Außerdem haben kleinere Kindergruppen positive Folgen für die Mitarbeiterinnen. "Es sind im Team zwei bis vier Personen. Das sind immer die gleichen, und mit der kleinen Kinderanzahl ist das Stresslevel auch einfach viel kleiner", sagt Christina Ramgraber von "Sira Kinderbetreuung". Außerdem gestaltet das Team ihre pädagogischen Konzepte selbst. Die Hoffnung: Die Mitarbeiterinnen werden weniger krank und bleiben gern im Beruf.

Betreuung an Arbeitszeiten angepasst

Durch das Investitionskonzept von "Sira" kommen nicht nur Eltern, die in großen Unternehmen arbeiten, in den Genuss von Vorteilen einer Betriebs-Kita. Ronny Ungewiss, Kundenberater im Arzneigroßhandel und Vater von zwei Kindern, konnte durch die "Mini-Kita" beispielsweise abends öfter bis 18 oder 19 Uhr arbeiten. Für ihn war die zeitliche Synchronisation der Kinderbetreuung mit seiner eigenen Arbeitszeit der größte Vorteil. "Außerdem gab es nach den regulären Öffnungszeiten noch einen Babysitterdienst, der auch von der Firma unterstützt wurde", erzählt er.

Seine Arbeitgeberin Fuchsberger-Paukert ist stolz darauf, in die Kinderbetreuung zu investieren, damit die Eltern arbeiten können. "Wenn der Staat diese Aufgabe wahrnehmen würde, bräuchte ich das nicht machen. Trotzdem habe ich den Bedarf, also muss ich handeln."