Koalitionsstreit nach Arcandor-Insolvenz Staatshilfe wird zum Wahlkampfthema
Hätte der Staat die Insolvenz des Arcandor-Konzerns verhindern müssen? Diese Frage sorgt in der Bundesregierung für Streit. Vizekanzler Steinmeier griff Wirtschaftsminister zu Guttenberg wegen dessen Nein zu Staatshilfen scharf an. Der will heute über die Rettung von Arbeitsplätzen verhandeln.
Die Insolvenz des Handelskonzerns Arcandor hat innerhalb der Bundesregierung zu heftigen Kontroversen über die verweigerten Staatshilfen geführt. "Es kann doch nicht sein, dass der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen", sagte Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier der "Bild"-Zeitung. Regierende, denen egal sei, was mit abertausenden Arbeitsplätzen passiere, sollten in ihrem Amtseid noch einmal ihre Pflicht nachlesen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, sagte der SPD-Kanzlerkandidat mit Blick auf Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz machte CDU und CSU mitverantwortlich für die Insolvenz des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor. "Die SPD in der Regierung hat sich bis zuletzt gegen ideologische Schranken für eine Lösung eingesetzt", sagte Scholz dem "Tagesspiegel". Der Arcandor-Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt vertrat in den Tagesthemen die Auffassung, dass eine Rettung möglich gewesen sei.
"Insolvenz bedeutet nicht das Ende"
Guttenberg verteidigte jedoch die Ablehnung von Staatshilfen. "Wenn Eigentümer und Gläubiger nicht bereit sind, Risiken zu übernehmen, kann man diese doch nicht dem Steuerzahler aufbürden", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Eine Insolvenz bedeute auch nicht das Ende aller Dinge, sondern könne den Boden für einen erfolgreichen Neustart bereiten.
Heute will sich der Minister mit Arbeitnehmervertretern von Arcandor treffen, um über die Rettung von Arbeitsplätzen zu beraten. Der Staat habe den Zustand des Unternehmens nicht zu verantworten, betonte Guttenberg. "Aber wir lassen die Mitarbeiter nicht im Stich. Ich werde mich heute mit den Arbeitnehmervertretern zusammensetzen und ausloten, wie die Bundesregierung am wirkungsvollsten zum dauerhaften Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen kann."
"Jedes Haus verdient eine Chance"
Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee appellierte an die künftigen Betreiber der Warenhäuser, die Insolvenz als Chance zu nutzen. "Jedes Haus verdient eine Chance, jede Stadt braucht Unterstützung", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Der Deutsche Städtetag forderte den Erhalt der Karstadt-Warenhäuser. Städtetagspräsidentin Petra Roth sagte der "Passauer Neuen Presse", sie hoffe, dass "möglichst viele der Kaufhäuser erhalten bleiben und Arbeitsplätze in einem sehr großen Umfang gerettet werden können".
Die Gewerkschaft ver.di warf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Guttenberg vor, die Rettung Arcandors nicht konsequent betrieben zu haben. "Wer Lösungen will, findet Wege. Wer keine Lösung will, findet Gründe", sagte die ver.di-Vizechefin Margret Mönig-Raane der "Berliner Zeitung".
Metro will Karstadt übernehmen
Unterdessen bekräftigte der Handelskonzern Metro sein Interesse an einer Übernahme von Karstadt-Warenhäusern und einem Zusammenschluss mit der eigenen Kette Kaufhof. "Wir wollen einen starken deutschen Kaufhauskonzern bauen", sagte Metro-Chef Eckhard Cordes dem ZDF. Auch nach der Insolvenz betrachte man Karstadt nicht als Schnäppchen, sondern werde "einen fairen Kaufpreis zahlen". Nach der geplanten Zusammenführung von Kaufhof- und Karstadt sollen etwa 160 Kaufhäuser erhalten bleiben, mit denen langfristig ein lebensfähiger Kaufhauskonzern möglich sein soll.
Neben Karstadt sind auch Teile der Versandhaussparte Primondo zahlungsunfähig. Insbesondere das traditionsreiche Versandhaus Quelle kämpft noch immer mit der Umstellung vom Katalog- zum Internetanbieter und gilt nach wie vor als Sanierungsfall. Besser sieht es dagegen bei den sogenannten Spezialversendern wie Baby Walz oder hessnatur aus - sie gelten als ausgesprochen profitabel. Diese "Perlen" wurden von der Insolvenz zunächst ausgenommen.
Nicht betroffen von der Insolvenz ist die Reisetochter Thomas Cook, zu der Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Condor oder Sunset Holidays zählen. Arcandor hält zwar rund 52 Prozent der Anteile, doch würde es die Geschäfte kaum beeinflussen, wenn die Aktien den Besitzer wechseln würden.