Fragen und Antworten Wie die Bahn Pünktlichkeit definiert
Die Deutsche Bahn kommt in der ersten Auflage ihrer neuen Pünktlichkeitsstatistik gar nicht so schlecht weg, wie manch ein verärgerter Kunde denken mag. Wie die Bilanz zustande kommt und ob die Bahn die Ergebnisse geschönt hat, darauf gibt SWR-Wirtschaftsredakteur Uwe Bettendorf Antworten.
Die Bahn kommt in ihrer neuen Pünktlichkeitsstatistik gar nicht so schlecht weg, wie manch ein verärgerter Kunde denken mag. Doch wie kommt die Bilanz zustande? Und hat die Bahn die Ergebnisse noch etwas geschönt? Ein Überblick.
Von Uwe Bettendorf, Wirtschaftsredaktion SWR
Stimmt die offizielle mit der gefühlten Bilanz überein?
Gefühle und Statistiken, die passen natürlich selten zusammen. Aber ich gehe mal davon aus, dass sich in der Tat vor allem Berufspendler wundern, wie pünktlich die Bahn im Regionalverkehr unterwegs ist. Dort sind ungefähr 93 Prozent aller Züge pünktlich gefahren. Das klingt auf den ersten Blick super, aber hier trickst die Bahn ein bisschen. Denn die S-Bahnen fließen in die Statistik mit ein. Und da die meisten S-Bahnen sehr pünktlich unterwegs sind - unrühmliche Ausnahme ist Berlin - wird dieser Wert natürlich geschönt.
Im Fernverkehr passen die offizielle und die gefühlte Bilanz schon zusammen. Denn die veröffentlichten Zahlen belegen eindeutig, wie groß die Probleme im Fernverkehr sind. Nur 80 Prozent der ICE- und IC-Züge waren von Januar bis August pünktlich am Ziel. Wobei man wissen muss, dass die Bahn jeden Zug, der mit fünf Minuten und 59 Sekunden Verspätung ankommt, noch als pünktlich wertet. Das ist also eine ganz eigene Definition von Pünktlichkeit.
Gibt es Zahlen, wie viele Züge ein bis sechs Minuten zu spät kommen?
Ich bin mir sicher, dass die Bahn auch diese Zahlen hat. Aber die tauchen im Internet nicht auf. Natürlich ist es für Bahnkunden viel ärgerlicher, wenn sie wegen fünf Minuten Verspätung einen Anschlusszug verpassen, dann kommt man nämlich schnell mal eine Stunde zu spät ans Ziel. Das passiert vor allem bei verspäteten Regionalzügen, auf die der ICE nicht wartet. In solchen Fällen spielen sich an den Bahnhöfen regelmäßig Dramen ab.
Gründe für die Unpünktlichkeit?
Die gibt es zuhauf. Der alte Werbespruch der Bahn "Alle reden vom Wetter. Wir nicht" aus dem Jahr 1966, der stimmt natürlich überhaupt nicht. Denn bei extremen Wetterbedingungen kriegt die Bahn Probleme mit der Pünktlichkeit. Die schweren Unwetter Ende August haben beispielsweise zu Streckensperrungen und Umleitungen geführt, so dass die Zahl der verspäteten Züge sprunghaft angestiegen ist. Jetzt, im Herbst, fallen die Blätter, dann wird's rutschig auf den Gleisen, dann müssen viele Züge langsamer fahren. Und im Winter hat die Bahn sowieso die größten Schwierigkeiten. Also das Wetter spielt hier eine ganz entscheidende Rolle. Dazu kommen noch die üblichen Behinderungen durch Baustellen und Engpässe im Schienennetz, weil die Politik über Jahre hinweg zu wenig Geld ins Netz gepumpt hat. Also: 100 Prozent Pünktlichkeit wird die Bahn nie schaffen, aber sie kann und sie muss insbesondere im Fernverkehr deutlich besser werden. Keine Frage!
Warum weist die Bahn auf ihre Schwächen hin?
Ich glaube, Bahnchef Grube hat verstanden, dass Geheimniskrämerei überhaupt nichts bringt. Die Bahn hat ja über viele Jahre ihre Verspätungs-Statistiken unter Verschluss gehalten. Ex-Bahnchef Mehdorn hatte kurz nach seinem Amtsantritt eine ähnliche Aktion stoppen lassen. Ab sofort soll die Pünktlichkeits-Statistik jeden Monat im Internet veröffentlicht werden, das sorgt für mehr Transparenz und auch für eine bessere Faktenlage - und beugt auch Gerüchten vor. Das bringt mir natürlich erst mal nichts, wenn ich als Bahnkunde wieder einmal zu spät ankomme. Aber durch die Veröffentlichung von solchen Daten steigt natürlich automatisch der Druck auf die Bahn, aber letztlich auch auf die Politik, mehr zu tun, um auf lange Sicht pünktlicher zu werden.
Weiß die Bahn, wie sie ein Riesenchaos im Winter vermeiden kann?
Nein, das weiß die Bahn nicht. Rüdiger Grube hat selbst gesagt, dass er sich nicht hinstellen kann und den Bahnkunden versprechen kann, dass im Winter alles wie geschmiert läuft. Wenn Oberleitungen oder Weichen einfrieren, dann ist dagegen nun mal kein Kraut gewachsen. Leider fehlen der Bahn auch immer noch die dringend benötigten Reservezüge, weil die Industrie nicht rechtzeitig die bestellten Züge liefern kann. Insofern kann es bei Schnee und Eis auch in diesem Jahr wieder zu einem Chaos kommen, das hängt jetzt ganz davon ab, wie heftig der Winter zuschlägt.