Neuer Vorschlag für Banken-Verstaatlichung Bund will notfalls Aktionäre enteignen
Der Bund plant weitere Schritte zur Stabilisierung des Finanzsystems. Kanzlerin Merkel sprach sich für Teilverstaatlichungen von Banken aus. Laut Medienberichten will Finanzminister Steinbrück sogar die Möglichkeit schaffen, Aktionäre zu enteignen. Erster Kandidat ist die Hypo Real Estate.
Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt die Idee, Banken notfalls in Teilen zu verstaatlichen. Es gebe keine allgemeingültige Lösung. "Wenn es im Einzelfall aber für den Steuerzahler billiger wird, kann die Übernahme von Anteilen sinnvoll sein", sagte sie bei einer Rede vor CDU-Kreisvorsitzenden. Die Regierung habe keinen Ehrgeiz, auch noch Banktätigkeiten auszuüben. Es seien aber die Banken gewesen, die ihre Hilfsbedürftigkeit gegenüber der Politik signalisiert hätten.
Unterdessen treibt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück laut Medienberichten seine Pläne für die Enteignung von Aktionären angeschlagener Banken wie der Hypo Real Estate (HRE) voran. Sein Ministerium arbeitet demnach zurzeit an einem Entwurf zur Änderung des Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetzes. Dieser sieht im Einzelfall die Möglichkeit von Enteignungen vor, berichteten übereinstimmend die "Süddeutsche Zeitung", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die Nachrichtenagentur Reuters. Dieser Schritt soll aber nur erlaubt sein, "wenn andere rechtlich und wirtschaftlich zumutbare Lösungen zur Sicherung der Finanzmarktstabilität nicht zur Verfügung stehen".
Kritik aus der Union
SPD-Chef Franz Müntefering sagte dazu in Saarbrücken: "Wir sind nicht darauf aus, jemanden zu enteignen oder zu verstaatlichen." Allerdings könne es Ausnahmen geben, wenn eine Bank ganz besonders gefährdet sei. "Dann muss man sich überlegen, ob der Staat - um schlimmes Unheil abzuwehren - auf Zeit solche Aufgaben übernehmen muss." Dagegen warnte Unionsfraktionsvize Michael Meister davor, mit Blick auf die Hypo Real Estate ein Gesetz zu schaffen. "Wir können kein Gesetz für einen Fall ohne Allgemeingültigkeit machen", sagte er der "Börsen-Zeitung". Jeder Aktionär stelle sich sonst die Frage, ob dieses Gesetz auch einmal für ihn gelten werde und er in Deutschland noch investieren könne.
Entschädigung für Aktionäre
Den Medienberichten zufolge könnte die Bundesregierung laut dem Entwurf des Finanzministeriums künftig durch den Erlass einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats Enteignungen veranlassen. Die Anteilseigner müssten jedoch entschädigt werden. Die Höhe dieser Entschädigungen für Aktionäre orientierten sich "in der Regel" nach dem gewichteten durchschnittlichen Börsenpreis der beiden Wochen vor dem Enteignungs-Beschluss, heißt es weiter.
Für HRE-Aktionäre wären das schlechte Neuigkeiten. Wird das Gesetz geändert, könnte der Bund wie geplant die Mehrheit des in Schieflage geratenen Immobilienfinanzierers übernehmen. Hauptbetroffener wäre der US-Finanzinvestor J.C. Flowers, der rund 25 Prozent der HRE-Aktien besitzt. Im konkreten Fall erhielte Flowers laut "Süddeutscher Zeitung" eine Entschädigung von 1,50 Euro der ursprünglich bezahlten 22,50 Euro je Aktie.
Ministerium: Noch keine Entscheidung gefallen
Ein solches Gesetz könnte spätestens im März in Kraft treten, hieß es weiter. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte dazu, es gebe "Vorarbeiten", aber keine Festlegungen oder Entscheidungen. Auch zum Thema HRE gab es beschwichtigende Töne: Nach einer Sitzung des Lenkungsausschusses des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) hieß es am Freitagabend aus Teilnehmerkreisen, eine Entscheidung sei nicht gefallen. Weiterhin würden viele Modelle zur Zukunft der Bank diskutiert. Am Donnerstag hatte Steinbrück auf die Frage geantwortet, ob die Regierung auch eine Enteignung der HRE-Aktionäre prüfe: "Ich kann und will nichts ausschließen."
Diskussion über Bad Banks
Steinbrück wolle zudem die Möglichkeiten erweitern, strauchelnden Geldhäusern unter die Arme zu greifen. Unter anderem sollen die Garantiezusagen des Bankenrettungsfonds von 36 auf 60 Monate verlängert werden. Daneben werde geprüft, die Einrichtung von so genannten Bad Banks auf Ebene der einzelnen Institute in das Gesetzespaket mit aufzunehmen, hieß es in Koalitionskreisen. Die Banken könnten ihre faulen Wertpapiere, die derzeit große Wertabschreibungen in den Bilanzen verursachen, in solche Bad Banks auslagern. Der Idee einer zentralen staatlichen Bad Bank lehnte Bundeskanzlerin Merkel erneut ab. "Der Steuerzahler darf nicht für die schlechten Papiere zahlen, während die Banken mit den guten Papieren Geschäfte machen", sagte sie.
Die weitere Stabilisierung des deutschen Bankensystems könnte jedoch weit mehr kosten als bislang vorgesehen. Laut einem Bericht des Magazins "Spiegel" muss der Bund seine im ersten Bankenrettungsplan vorgesehenen Kapitalhilfen von 80 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Experten des Finanzministeriums rechnen dem Bericht zufolge mit einem Kapitalbedarf bis zu 200 Milliarden Euro. Um den Plan der Bundesregierung zu verwirklichen, angeschlagene Kreditinstitute mit Hilfe vieler bankeigener Bad Banks von Risikopapieren zu befreien, müssten die Kreditermächtigungen des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung auf diese Höhe aufgestockt werden, hieß es. Das Finanzministerium war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.