SAP-Hauptversammlung Wirft Corona die Frauen in Dax-Konzernen zurück?

Stand: 20.05.2020 06:45 Uhr

Die Hauptversammlung von SAP findet heute ohne Jennifer Morgan statt. Die erste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns ist schon wieder Geschichte. Mit Christian Klein führt nun ein Mann alleine die Geschäfte. Ist das ein Rückschritt für die Bereitschaft zur Diversität?

Es sei ein Meilenstein, ein wichtiges Signal, Jennifer Morgan schreibe deutsche Konzerngeschichte: Der SAP-Aufsichtsrat wurde gefeiert für die Entscheidung, eine Frau an die (Co-)Spitze zu berufen. Morgan hatte den Chefposten im Oktober 2019 gemeinsam mit Christian Klein übernommen. Die Top-Managerin war der erste weibliche Vorstandschef in der Geschichte des Dax. Jetzt ist sie auch die erste Ex-Vorstandschefin eines Dax-Konzerns: Bereits Ende April 2020, also mitten in der Corona-Krise, folgte der überraschende Abschied.

Die SAP-Begründung klang konventionell: Die aktuelle Situation verlange "schnelles, entschlossenes Handeln und eine klare, hierbei unterstützende Führungsstruktur". In dieser beispiellosen Krise gehe es darum, "eine starke, eindeutige Führungsverantwortung sicherzustellen".

Corona-Krise als Bremsklotz?

Wurde die Berufung Morgans als Signal interpretiert, war es mit ihrem Abschied ebenso. Der Rückzug von Morgan sei ein fatales Zeichen für die Vielfalt in Unternehmensspitzen, schrieb die "taz". Auch Spitzenkräfte aus der Politik äußerten sich kritisch bis besorgt. Dazu gehören etwa Annette Widmann-Mauz, die Vorsitzende der CDU-Frauen-Union in der CDU, aber auch SPD-Bundesministerinnen wie Justizministerin Christine Lambrecht oder Familienministerin Franziska Giffey.

Als schwerwiegend für das Thema Gleichstellung dürfte sich weniger dieses einzelne Ereignis erweisen. Die Corona-Krise könnte aus einem anderen Grund einen Rückschritt bedeuten. So stellten jüngst die 17 Verbände der sogenannten Berliner Erklärung, darunter der Ärztinnenbund, der Juristinnenbund, der Verband Deutscher Unternehmerinnen, der Journalistinnenbund, der Verein Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) und andere fest, dass die Krise für viele Verzögerungen als Erklärung genutzt werde, um Maßnahmen der Gleischstellungspolitik nicht mehr in dieser Legislaturperiode abzuschließen.

Unzumutbare Mehrbelastungen für Unternehmen?

Gemeint ist das Ziel einer Frauenquote in den Vorständen deutscher börsennotierter Unternehmen, das beispielsweise Familienministerin Giffey verfolgt. Ein vorliegender Gesetzentwurf werde insbesondere vom Bundeswirtschaftsministerium abgelehnt. Als Grund würden unter anderem die derzeit unzumutbaren Mehrbelastungen für Unternehmen angegeben, erklären die 17 Frauenverbände. Für Aufsichtsräte gibt es eine solche Quote bereits seit 2016.

Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik: Janina Kugel, bis Januar 2020 Vorstandsmitglied bei Siemens, beklagte sich gegenüber dem "Handelsblatt", dass nur wenig Bereitschaft zur Diversität in der deutschen Wirtschaft zu finden sei. Kugel fürchtet ebenfalls, die Corona-Krise könne als Ausrede für Rückschritte genutzt werden.

"Geschlechtervielfalt ist gut für das Geschäft"

Dabei ist kaum nachzuvollziehen, warum sich ausgerechnet die ihrem Selbstverständnis nach leistungs- und ergebnisorientierte Unternehmenswelt so schwertut mit der Gleichstellung. Denn die Liste der Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen Frauen in der Führungsverantwortung und der Performance des Unternehmens nachweisen, wird immer länger.

Die Studie "CS Gender 3000" des Credit Suisse Research Institute fand unlängst heraus, dass eine überdurchschnittliche Frauenquote an der Firmenspitze für eine bessere Aktienkursentwicklung als eine unterdurchschnittliche Quote sorgt. Zudem sei der Aktienkurs umso höher, je mehr Frauen in der Geschäftsleitung operative Verantwortung tragen. Das Fazit der Schweizer Großbank lautet: Geschlechtervielfalt ist gut für das Geschäft.

Je mehr Frauen, desto profitabler

Die Unternehmensberatung McKinsey befasst sich seit längerem mit dem Thema. Aus der neuesten Studie "Diversity wins" geht hervor, dass Unternehmen mit dem höchsten Frauenanteil im Spitzenmanagement eine 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Als Gradmesser wurde das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) herangezogen. Mehr als 1.000 Unternehmen in 15 Ländern wurden untersucht.

Für die Unternehmen bietet demnach der noch immer geringe Frauenanteil in den Führungsetagen ein Potenzial, das zu realisieren ist. Im Jahr 2019 gab es in den Dax-30-Konzernen 14,7 Prozent weibliche Vorstände, wie aktuelle Zahlen des DIW zeigen. Im MDax waren es beispielsweise nur 8,9 Prozent.

Immerhin lassen sich in den vergangenen Jahren Fortschritte dokumentieren. "Ein Grund für die zu beobachtende Dynamik bei der Entwicklung des Frauenanteils in Vorständen könnte sein, dass das Thema Gleichstellung der Geschlechter in Führungspositionen von Wirtschaft und Politik im letzten Jahr sehr stark an Aufmerksamkeit gewonnen hat", schreiben die Experten des DIW. Dass die Dynamik nicht nachlässt, scheint im Eigeninteresse der Unternehmen zu liegen.

ts