Hohe Nachfrage in den USA Vor der Wahl noch eine Waffe
Wieder einmal löst die Aussicht auf die Wahl eines Demokraten zum US-Präsidenten einen Run auf Gewehre, Revolver und Pistolen aus, denn Kandidat Joe Biden will den Zugang zu Waffen erschweren. Doch kann er das überhaupt?
Experten gehen davon aus, dass die Amerikaner bei einem Machtwechsel im Weißen Haus noch mehr Waffen kaufen werden als bisher. Dabei haben sich viele Haushalte in den vergangenen Monaten bereits mit Waffen eingedeckt, aus Furcht vor der Coronavirus-Pandemie, den sozialen Unruhen nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd in Polizeigewahrsam und aus Angst, ein knappes Ergebnis der Präsidentenwahl am 3. November könnte im Chaos enden.
Eine genaue Statistik über Waffenverkäufe in dem Land gibt es zwar nicht, weil sie nicht registriert werden dürfen. Doch glaubt man dem Chef des legendären Waffen-Herstellers Smith & Wesson, kommt die Branche der Nachfrage derzeit kaum hinterher. Sehr zur Freude der Anteilseigner. So hat sich allein der Aktienkurs von S&W seit dem Frühjahr verdoppelt. Ähnliche Sprünge vermelden auch die Waffenschmieden Vista Outdoor und Sturm Ruger, wenngleich die Bewertungen nach einem Hoch im August zuletzt wieder gesunken sind.
Absatzindikator FBI
Als wichtiger Absatzindikator gelten die Daten der Bundespolizei FBI. Danach sind im Juli die vor Waffenkäufen üblichen Überprüfungen, die sogenannten "NICS Background Checks", um 80 Prozent gestiegen. Im Juni hatten die Checks sogar einen Rekordwert erreicht. Seit März hat sich dem FBI zufolge die Zahl der Amerikaner, die eine Waffe besitzen um 2,5 Millionen erhöht. Dabei befinden sich in den USA Schätzungen zufolge bereits gut 300 Millionen Schusswaffen in Umlauf.
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Beflügelt wird der Run auf die Schießgeräte neben Corona durch die Pläne des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und seiner Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, Kamala Harris. Beide treten für strengere Waffengesetze ein, wollen "Kriegswaffen von unseren Straßen verbannen".
Dazu soll ein Gesetz aus dem Jahr 1994 neu aufgelegt und verschärft werden. Der Verkauf von Schnellfeuerwaffen und die dazugehörigen Magazine soll verboten werden. Und wer ein derartiges Gewehr schon besitzt, wird aufgefordert es entweder an die Regierung abzugeben oder zumindest registrieren zu lassen.
Weiterer Anstieg der Waffenkäufe erwartet
Bei vielen der waffenvernarrten Amerikaner kommen solche Pläne schlecht an. "Sollten wir eine Regierung von Biden und Harris bekommen, würde ich einen Anstieg bei den Verkäufen moderner Sportgewehre, großer Magazine und entsprechender Munition erwarten", sagt Analyst Rommel Dionisio von Aegis-Capital. Besonders Schnellfeuergewehre, die militärischen Waffen ähneln und besonders hohe Gewinnmargen versprechen, dürften dann stark gefragt sein, schätzt der Fachmann.
Fachleute schauen dabei auch auf die Erfahrungen in der Ära des Demokraten Barack Obama - der ebenfalls für eine stärkere Regulierung von Waffen eintrat. Nach Obamas Wahl zum Präsidenten 2008 haben die Amerikaner massiv neue Waffen gekauft. Die Aktien des Herstellers Sturm Ruger sind bis 2016 um fast 900 Prozent gestiegen, während der Leitindex S&P nur ein Plus von 113 Prozent schaffte.
Die Jahre unter Präsident Donald Trump haben sich für die Waffen-Aktionäre dagegen kaum gelohnt. Die Sturm-Ruger-Titel etwa schafften seit 2016 gerade einmal ein Plus von 16,5 Prozent, viel weniger als der Leitindex. Die Republikaner stehen traditionell der mächtigen US-Waffenlobby nahe, und Waffenliebhaber haben unter ihrer Regierung keine Angst, den Zugang zu Gewehren und Pistolen zu verlieren.
Welche Chancen hat der Plan von Biden
Nun könnte erneut ein Demokrat die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnen. Doch wie groß sind die Chancen, dass Joe Biden das Waffengesetz tatsächlich verschärfen wird? Politisch betrachtet gehörten strengere Regeln für den Zugang zu Waffen in diesen Pandemie-Zeiten nicht zu drängendsten innenpolitischen Problemen des Landes, behaupten Beobachter. Biden müsse sich zunächst um die Wirtschaft und die verheerenden Folgen der Corona-Pandemie kümmern als das Waffengesetz zu reformieren. Priorität habe auch die geplante Erweiterung von Obamacare, so dass 97 Prozent der Amerikaner krankenversichert seien.
Bei den Republikanern stößt Bidens Plan ohnehin auf erbitterten Widerstand. Auch die US-Waffenlobby National Rifle Association (NRA) kritisierte das Vorhaben scharf. "Wir werden nicht zulassen, dass rechtschaffene Waffenbesitzer schikaniert und eingeschüchtert werden, weil sie einer gesetzlichen, von der Verfassung geschützten Aktivität nachgehen", erklärte NRA-Chefin Carolyn D. Meadows. Bidens Vorschlag habe lediglich die Absicht, Waffenbesitzer zu "Sündenböcken" zu machen. Zudem erinnerte sie daran, dass es in den USA ein von der Verfassung garantiertes Grundrecht auf Waffenbesitz gebe.
Demokratische Mehrheit im Kongress
Biden wird also mit erheblicher Gegenwehr rechnen müssen, sollte er seine Pläne tatsächlich umsetzen wollen. Allerdings: Anders als in seiner Zeit unter Obama verfügen die Demokraten im Repräsentantenhaus seit 2018 über eine Mehrheit. Nur der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, bleibt unter der Kontrolle der Republikaner. Biden und den Demokraten böte sich also die Gelegenheit ein verschärftes Waffengesetz durchzusetzen.
Doch auch Biden weiß wie populär der Waffenbesitz bei seinen Landsleuten ist - auch bei vielen Demokraten. Und Bluttaten wie sie in den letzten Jahren immer wieder passiert sind, dürften sich durch ein verschärftes Waffenrecht wohl kaum verhindern lassen, angesichts der vielen Millionen im Umlauf befindlichen Waffen im Land.