Britische Industrie zum EU-Verbleib "Leave the EU" entzweit die Firmen
Morgen wird der britische Premier Cameron verkünden, welche EU-Reformen er verlangt. Von deren Umsetzung hänge seine Haltung beim geplanten EU-Referendum ab, sagte er vor Industriellen. Britische Firmen sind in Sachen EU tief gespalten.
Die britische Industrie könnte sich momentan wie Hans im Glück fühlen: Die wirtschaftsfreundlichen Konservativen haben die Wahl gewonnen, die Konjunktur erholt sich weiter, und die Zinsen bleiben vorerst niedrig. Wenn da nicht dieses verflixte EU-Referendum wäre, das im nächsten - oder auch erst im übernächsten Jahr - stattfinden wird.
Der scheidende Geschäftsführer des Industrieverbands CBI, John Cridland, warb auf dem Verbandstag für die EU. "Die meisten - wenn auch nicht alle - Unternehmen wollen in einer reformierten EU bleiben", sagte er. "Um das zu erreichen, müssen aber noch viele Probleme gelöst werden. Das Wichtigste dabei: London ist die Finanzhauptstadt Europas - aber außerhalb der Eurozone."
Ruf nach Schutz der Finanzindustrie
Genau dies ist eine der Forderungen der britischen Regierung an die EU: Es muss einen Schutz für all jene Staaten geben, die den Euro nicht haben und auch nicht haben wollen. Heißt auch: einen Schutz für die Finanzindustrie in der City of London. Großbritannien will sich außerdem ausklinken aus einer immer enger zusammenrückenden Union. Und die Regierung will die Sozialleistungen für EU-Zuwanderer kürzen.
All dies wiederholte Premierminister David Cameron bei seinem Auftritt vor den Industrie-Vertretern. "Dies sind wichtige Veränderungen, und die müssen wir erreichen", erklärte er. "Wenn mir das gelingt, dann werden Sie erleben, dass ich mich vehement dafür einsetze, dass wir in einer reformierten EU bleiben. Wenn nicht, dann schließe ich nichts aus."
Drohung mit dem "Brexit"
Seine Warnung: Stoße ich bei den 27 Partnern auf taube Ohren, dann droht womöglich ein "Brexit", ein britischer EU-Ausstieg. Morgen will Cameron in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk seine Reformideen ausbreiten, begleitet von einer Rede vor heimischem Publikum. Die nächste Station ist dann der EU-Gipfel im Dezember.
Cameron setzt auswärts insbesondere auf die Unterstützung der Bundeskanzlerin, während er zu Hause an die britischen Industriellen appelliert. "Ich hoffe, dass Sie mir den Rücken stärken in den Verhandlungen mit der EU. Denn der Status Quo ist nicht gut genug für uns", sagte er auf dem Treffen des Industrieverbands. "Wir müssen die Probleme anpacken, darum geht es jetzt - und dann können wir uns in die Kampagne für den EU-Verbleib stürzen."
Warnung vor verfühtem "Ja"
Allerdings gibt es in dieser Frage nicht "die" Haltung "der" britischen Wirtschaft. In den Reihen der CBI etwa wird das Murren lauter über die bislang sehr Brüssel-freundliche Haltung des Industrieverbands. Einige Mitglieder warnen davor, sich zu früh auf ein "Ja" zur weiteren EU-Mitgliedschaft festzulegen.
Der Unternehmer Jon Moynihan etwa unterstützt stattdessen "Business for Britain" sowie die Kampagne "Vote Leave". Er hält es für kein wirtschaftliches Risiko, die EU zu verlassen. "Es ist doch so: Deutschland exportiert Autos im Wert von 18 Milliarden Euro nach Großbritannien, und wir exportieren Autos im Wert von fast vier Milliarden Euro nach Deutschland. Die EU wird also keinen Handelskrieg mit uns beginnen, sobald wir austreten", sagt Moynihan.
Die Skepsis gegenüber der EU ist umso größer, je kleiner und je stärker eine Firma auf den britischen Markt ausgerichtet ist. Je größer und je internationaler dagegen das Unternehmen, desto größer ist die Sympathie für eine reformierte EU. Während die großen Banken und die Industriekonzerne überwiegend drin bleiben wollen im europäischen Club, finanzieren einige Londoner Hedgefonds die Kampagne der EU-Gegner. "In or out"? Das ist auch in der britischen Wirtschaft hoch umstritten.