Debatte über Euro-Rettungsschirm Reform gebilligt, weiteres Vorgehen unklar
Das Kabinett hat die Reform des Euro-Rettungsschirms gebilligt. Doch es bleiben viele Fragen offen. Denn wie der Bundestag künftig über Euro-Hilfsmaßnahmen mitentscheidet, ist noch unklar. Die Koalition streitet darüber, die schwarz-gelbe Mehrheit bei der Abstimmung über das Gesetz scheint in Gefahr.
Die Bundesregierung hat eine Ausweitung des Euro-Rettungsfonds EFSF auf den Weg gebracht. Das Kabinett billigte, das Gesetz zur Stabilisierung zu ändern. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten zuvor eine entsprechende Ausweitung verabredet. Demnach soll der EFSF künftig Anleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen, vorsorglich Kredite verleihen und Staaten Geld zur Stabilisierung ihrer Banken bereitstellen können.
Der EFSF wurde am 10. Mai 2010 als vorläufiger Euro-Rettungsschirm von einem EU-Gipfel ins Leben gerufen. Er wird Mitte 2013 vom dauerhaften Rettungsschirm ESM abgelöst, der über dieselben Möglichkeiten verfügen soll. Der EFSF wird von dem deutschen Beamten Klaus Regling geführt.
Wie wird das Parlament beteiligt?
Unklar bleibt noch immer, wie das Parlament an den künftigen Entscheidungen beteiligt wird. Dies ist auch in der schwarz-gelben Koalition umstritten. Wegen der hohen Summen und weil die Verfügung über deutsche Steuergelder alleine beim Bundestag liegt, muss das Parlament eingebunden werden. Bisher reicht es, wenn sich die Regierung vor einer Aktivierung der EFSF um Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss bemüht. Das reicht den Abgeordneten nicht mehr. Außerdem wird erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht am 7. September in einem Urteil festlegt, welche Rechte des Bundestages bei der Euro-Stabilisierung gewahrt werden müssen.
Union und FDP arbeiten derzeit an einem Stufenverfahren, bei dem der Bundestag zum Beispiel neuen Hilfen für ein Euro-Land oder einer Erweiterung des Rettungsschirms zustimmen müsste. Der Haushaltsausschuss würde dann die Tagesarbeit des EFSF überwachen und möglicherweise Einwände formulieren können.
Die abschließende Abstimmung im Bundestag ist für den 29. September vorgesehen, der Bundesrat soll in einer Sondersitzung am 30. September grünes Licht geben. Im Oktober soll der EFSF 2.0 dann seine Arbeit aufnehmen können.
Eigene Mehrheit wackelt
Die FDP-Fraktion kündigte an, die Rechte des Bundestages verteidigen zu wollen. Fraktionschef Rainer Brüderle betonte auf der Klausur der FDP-Abgeordneten in Bergisch Gladbach, das Parlament müsse künftig grundsätzlich über jede neue Finanzhilfe für Euro-Länder abstimmen. "Es kann nicht gelten, dass Beschlüsse in schwächeren Ländern den Bundeshaushalt belasten", sagte Brüderle. Schuldensünder müssten sich mehr anstrengen und wettbewerbsfähiger werden.
Wegen des Streits um die Beteiligung des Parlaments muss die bei der Abstimmung um ihre Mehrheit fürchten. Aber auch ohne eigene Mehrheit werde die Bundesregierung nach Ansicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach nicht zusammenbrechen. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages bekräftigte allerdings im ARD-Morgenmagazin, er selbst wolle gegen den EFSF stimmen. Bosbach schätzte die Zahl der Kritiker in der Unionsfraktion auf "vielleicht ein paar Dutzend". Allerdings wisse auch er nicht, wer am Ende wirklich bei der Abstimmung im September mit Nein stimmen werde.
Unionsfraktionschef Volker Kauder rief die Abgeordneten hingegen zu Geschlossenheit auf. Die Euro-Rettung sei keine klassische Gewissensfrage, sagte er der "Bild"-Zeitung.
SPD und Grüne fordern mehr Informationen
SPD und Grüne zeigten sich grundsätzlich bereit, die Euro-Rettungspläne der Regierung zu unterstützen. Allerdings forderten sie die Kanzlerin auf, über die Details aufzuklären. Auch hier geht es darum, wie der Bundestag eingebunden wird. Das machten SPD-Chef Sigmar Gabriel und der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin nach einem Treffen der Partei- und Fraktionschefs bei Merkel deutlich.
Gabriel verlangte, Merkel müsse im Bundestag erklären, wie sie mit den noch offenen Fragen umgehen wolle. Es seien keine Details genannt worden, etwa wie eine bessere Haushaltspolitik der EU-Schuldenstaaten oder eine Bankenregulierung durchgesetzt werden könnten.
Grünen gehen Pläne nicht weit genug
Trittin betonte, faktisch solle der Rettungsschirm in seinem Volumen verdoppelt werden. Man wolle dabei gemeinsam die Rechte des Bundestages sichern. Zudem müssten auch die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden.
Die Grünen fordern aber zudem über die Euro-Rettungspläne der Regierung weit hinausgehende Schritte. Laut Beschlussvorlage für die Herbstklausur ihrer Bundestagsfraktion, die in Berlin begann, fordert die Partei eine demokratisch legitimierte Europäische Wirtschaftsregierung - angesiedelt bei der EU-Kommission, kontrolliert vom Europaparlament und den Parlamenten der Einzelstaaten. Steuern sollten harmonisiert, soziale Mindeststandards gesetzt werden. Mit Eurobonds sollten die Euro-Staaten außerdem einen Teil ihrer Schulden über gemeinsame Anleihen finanzieren.
Linkspartei: "Rüstungsausgaben kürzen!"
Linksparteichef Klaus Ernst kritisierte die Euro-Rettungsbemühungen der Bundesregierung und anderer EU-Staaten als ein "Fass ohne Boden". In "trauter Regelmäßigkeit" kämen die Politiker inzwischen zusammen, um über die Ausweitung von Rettungsschirmen für hoch verschuldete Länder zu beraten, sagte Ernst. Die Politik werde weiterhin von den Finanzmärkten getrieben.
Schuldenstaaten müssten ganz andere Auflagen zum Sparen als bisher gemacht werden, sagte Ernst. So solle Griechenland lieber seine Rüstungsausgaben und nicht seine Sozialausgaben kürzen.