Urteil im "Cum-Ex-Skandal" Erneut Haftstrafe für "Mister Cum-Ex"
Er gilt als Wegbereiter für "Cum-Ex-Geschäfte" in großem Stil in Deutschland, mit denen der Staat um Milliarden Euro betrogen wurde. Nun wurde der frühere Steueranwalt Hanno Berger erneut zu einer Haftstrafe verurteilt.
Das Landgericht Wiesbaden hat die Schlüsselfigur im "Cum-Ex"-Steuerskandal, Hanno Berger, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Der 72-Jährige sei wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig, entschied das Gericht. Zudem sollen aus Bergers Vermögen Taterträge von knapp 1,1 Millionen Euro eingezogen werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte Berger vorgeworfen, von 2006 bis 2008 bei komplexen "Cum-Ex"-Aktiendeals mitgewirkt zu haben, die zu unberechtigten Steuerrückerstattungen von 113 Millionen Euro führten. Bei den von Berger vermittelten Geschäften seien über frühere Beschäftigte der Hypovereinsbank Dax-Aktien im Wert von 15,8 Milliarden Euro gehandelt worden. Profiteur war ein inzwischen verstorbener Immobilieninvestor. Die Gewinne habe man aufgeteilt.
Das mögliche Höchstmaß für Berger hatte bei 15 Jahren gelegen. Die Anklage hatte eine Haftstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch für Berger plädiert.
BGH bewertete Geschäftsmodell als Straftat
Berger ist die bekannteste Figur des Geschäftsmodells, das der Bundesgerichtshof im Jahr 2021 als Straftat gewertet hat. Berger beriet Banken, Fonds und Investoren bei der Konstruktion der "Cum-Ex"-Deals und warb über sein Netzwerk vermögende Kunden ein. Dafür kassierte er Millionen Euro.
Einst war er Beamter in der hessischen Steuerverwaltung, später wechselte er die Seiten und machte sich als Steueranwalt selbstständig.
Berger sieht sich als Opfer eines Justizskandals
Berger hatte die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen und sich als Opfer eines Justizskandals gesehen. Er hat zwar das Geschäftsmodell, bei dem Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag verschoben wurden und gar nicht gezahlte Steuern erstattet wurden, nicht erfunden. Er gilt aber als Wegbereiter dafür, dass "Cum-Ex" in Deutschland im großen Stil betrieben werden konnte.
Wegen der Deals, die ihre Hochphase zwischen 2006 und 2011 hatten und bei Banken weit verbreitet waren, büßte der deutsche Staat geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro ein. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. Berger hatte sich durch eine Flucht in die Schweiz jahrelang der deutschen Justiz entzogen.
Cum-Ex-Geschäfte heißen so, weil große Pakete von Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch rund um den Stichtag für die Ausschüttung in rascher Folge hin- und hergeschoben wurden. Die bewusst undurchsichtigen Transaktionen hatten nur ein Ziel: bei den Finanzbehörden möglichst große Verwirrung stiften. Mit diesem Trick ließen sich die Beteiligten im großen Stil Kapitalertragssteuer erstatten, die nie gezahlt wurde. Die Gewinne wurden aufgeteilt. Möglich machte das eine Gesetzeslücke, die inzwischen geschlossen wurde. Bis dahin hatte das Cum-Ex-Geschäft geboomt - jahrelang.
Gesamtstrafe für Berger noch offen
Er wurde im Februar 2022 ausgeliefert und im vergangenen Dezember am Landgericht Bonn bereits zu acht Jahren Haft verurteilt. Mit dem Urteil in Wiesbaden kann per nachträglichem Beschluss eine Gesamtstrafe von bis zu 15 Jahren gebildet werden. Noch ist das Bonner Urteil aber nicht rechtskräftig. Berger hat dagegen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
AZ: 6 KLs - 1111 Js 18753/21