Cascadia-Lkw von Daimer Truck

Autonome Daimler Trucks "Auf der Fernstrecke ohne Fahrer"

Stand: 14.04.2022 16:01 Uhr

Daimler Truck treibt in den USA Pläne für selbstfahrende Lkw voran. Welche Rolle das Hub-to-Hub-Konzept dabei spielt und wann es autonom fahrende Lkw in Europa geben könnte, erläutert Daimler-Truck-Chef Martin Daum im Interview.

Von Das Interview führte Marcus Schuler, ARD-Studio Los Angeles

tagesschau.de: Sie testen in den USA Roboter-Lkws. Es gibt dort das Hub-Konzept. Was ist das?

Martin Daum: Unser Ziel ist, auf der Autobahn zu fahren - es ist deutlich einfacher, deutlich sicherer als im Stadtverkehr. Ich kann mir keinen 40-Tonner-Lkw ohne Fahrer im Stadtverkehr vorstellen. Deshalb haben wir uns hier in den USA auf ein sogenanntes Hub-to-Hub-Konzept geeinigt. Ein Hub ist ein Sammelplatz für Lkw, wo die Lkws aus lokalen Strecken bis zu 300, 400 Kilometer Entfernung zusammenkommen - also von Fahrern gefahren - dann umgekoppelt werden am Sattelschlepper an dieses automatisierte Fahrzeug, das aussieht wie ein normaler Lkw, nur sehr viel mehr Elektronik drinhat, und dann auf der Fernstrecke ohne Fahrer fahren. Am Ende der Fernstrecke gehen sie wieder auf so einen Hub, dann abkoppeln, ankoppeln an einen Lkw mit Fahrer und dann geht es zum finalen Ziel.

Daimler-Truck-Chef Martin Daum
Zur Person
Martin Daum ist Vorstandsvorsitzender der Daimler Truck AG und der Daimler Truck Holding AG.

tagesschau.de: Ihre Auftragsbücher sind gut gefüllt. Sie haben sich vorgenommen, in diesem Jahr mehr als eine halbe Million Nutzfahrzeuge zu bauen. Sieht man sich die Produktionszahlen für Elektroautos aus dem vergangenen Jahr an, dann wurden dort allerdings nur 712 Fahrzeuge gebaut. Wieso dauert es so lange - der Umstieg auf Elektroantrieb oder Wasserstoff?

Daum: Es braucht drei Voraussetzungen, damit das erfolgreich wird: Es braucht ein gutes Angebot von der Industrie - da sind wir jetzt dabei und rollen Auto im Auto aus, und wir haben jetzt mit dem E-Actros ein hervorragendes Auto in Europa im Angebot. Wir sind ja auch relativ führend im Stadtbus-Bereich mit unserem elektrischen Stadtbus.

Aber das ist nur eine Voraussetzung. Die zwei anderen Voraussetzungen sind: Dass zum einen wir eine Infrastruktur brauchen, und die ist schwieriger beim Lkw, weil deutlich höhere Energien gebraucht werden. Da reicht nicht die Ladesäule in der Garage. Da braucht es dann 300 Kilowatt mindestens, um eine ganze Nacht über zu laden, oder ein Megawatt. Und Wasserstoff sind wir auch erst dabei, eine Infrastruktur zu bekommen.

Und das Dritte ist natürlich die Kostenparität: Keiner fährt einen Lkw zur Gaudi, sondern möchte Geld damit verdienen. Und dann muss eben der elektrische, der Wasserstoff-Lkw im Betrieb günstiger sein - inklusive des Kaufpreises - als der konventionelle. Und das ist noch nicht so weit. Alle, die das behaupten, sind falsch. Es geht nur mit heftigen Subventionen, und da kann ich keine Tausende subventionieren. Das heißt, wir müssen die Kosten des Lkws Wunder bringen. Und es muss am Ende natürlich auch letztlich die CO2-Bepreisung der Lkw-Fahrten nach oben gehen.

"Autonomes Fahren bringt große Verbesserung"

tagesschau.de: Autonomes Fahren: Das könnte auch - so sagen jedenfalls die Gewerkschaften - viele Arbeitsplätze kosten. Erwarten Sie denn Widerstand von den Gewerkschaften, gerade hier in den USA?

Daum: Wir haben mal gekuckt, welches Frachtvolumen in den USA autonom-fähig sind: Das sind etwa sechs Prozent des gesamten jährlichen Frachtvolumens. Wenn wir davon ausgehen, dass sich das Frachtvolumen mit bis zu 50 Prozent in den nächsten zehn Jahren erweitert, wenn wir davon ausgehen, dass wir heute viel zu wenig Fahrer haben, dann sind wir froh, wenn wir für sechs Prozent des Frachtvolumens eine gute Lösung haben.

Das autonome Fahren bringt für den Fahrer auch eine große Verbesserung: Der Fahrer ist abends wieder zu Hause. Also dieses Hub-to-Hub-Konzept ist so angelegt, dass der Fahrer maximal einen halben Tag Fahrtzeit hat bis zum Hub, er fährt wieder zurück und ist abends zu Hause. Das Schlimmste bei Fahrern ist, dass die zehn Tage unterwegs sind und nicht zu Hause sind. Es ist ein Grund, warum - wenn sie in Europa die Fahrer angucken - fast keiner mehr aus Deutschland oder den Niederlanden kommt, sondern meistens aus den Ost-Ländern, weil es halt dann immer noch ein sehr gut bezahlter Job ist, aber ein sehr, sehr schwieriger und sehr, sehr harter Job.

tagesschau.de: Wann können wir denn in Deutschland mit autonom fahrenden Lkws auf unseren Autobahnen rechnen?

Daum: Ich denke, wir brauchen mindestens bis 2030, bis wir hier in den USA genügend Erfahrungen haben. Bis dahin wird es auch einen Rechtsrahmen in Europa geben, das ein europäischer Rechtsrahmen sein muss, wo wir alle wissen, dass das ziemlich lange dauert, bis wir sowas haben. Und dann sehen wir weiter. Ich denke, technisch ist es möglich - vom Lkw her definitiv. Alles, was in den Cascadia hier in USA reinpasst, passt auch in den Actros in Europa rein. Und dann lässt sich das deutlich ausweiten. Ich sehe aber Länder wie Australien oder Kanada vorher - bevor wir mit uns mit Europa beschäftigen.

Marcus Schuler, Marcus Schuler, ARD Los Angeles, 14.04.2022 13:37 Uhr