Niederlage vor Gericht Kein Aspirin am Automaten
Deutschlands erste Automaten-Apotheke muss schließen. Nach einem juristischen Hin und Her setzte sich die Apotheker-Lobby gegen den niederländischen Konkurrenten DocMorris durch. Jenni Rieger über einen Streit, der längst mehr ist als eine Provinzposse.
Eigentlich gibt es in der kleinen Gemeinde Hüffenhardt alles, was man braucht. Eine Sparkasse, einen Bäcker, eine Metzgerei. Und bis 2015 gab es auch einen Apotheker, der die rund 2000 Einwohner mit Pillen, Pasten und Salben versorgte. Dann ging dieser in den Ruhestand - und plötzlich blickte das ganze Land auf das kleine Hüffenhardt. Denn auch DocMorris, Europas größter Versandhändler für Medikamente, hatte von Hüffenhardts Versorgungsengpass erfahren und beschlossen, die Gemeinde zu seinem Pilotprojekt zu machen. Die vermeintliche Lösung: Deutschlands erste Automaten-Apotheke.
Die Idee hörte sich bestechend einfach an: Ein Terminal mit Kamera, ausgestattet mit einem Schlitz, aus dem die Medikamente fallen. Der Patient scannt sein Rezept ein, wird per Videochat von einem Pharmazeuten beraten. Gibt dieser das Rezept frei, wird das Medikament ausgeworfen. Wie in einer Apotheke eben. Oder doch nicht? Genau an dieser Frage scheiden sich die Geister.
Nach 48 Stunden das erste Mal geschlossen
Im April eröffnete DocMorris Deutschlands erste "Videoberatung mit Arzneimittelabgabe" in den alten Räumen der Hüffenhardter Apotheke. Für genau 48 Stunden. Dann machte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Laden dicht. Denn diese Art der Medikamentenabgabe "verwische in unzulässiger Weise die Grenze zwischen dem Versandhandel und der Abgabe von Arzneimitteln in einer Präsenzapotheke". Dazu muss man wissen, dass die etablierten Apotheken in Deutschland einen starken Schutz genießen. So schreibt das Fremdbesitzverbot vor, dass nur Apotheker eine Apotheke führen dürfen. Außerdem verbietet das sogenannte Mehrbesitzverbot Apothekenketten.
Warum also hatte DocMorris, eine niederländische Aktiengesellschaft, dennoch versucht, in Hüffenhardt einen Fuß in die Tür des deutschen Apothekenmarktes zu kriegen? Weil DocMorris die Sache etwas anders sieht. Der Versandhändler klagte gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums. Wenige Tage später durfte DocMorris seine Automaten-Apotheke wieder öffnen - dort allerdings nur noch rezeptfreie Medikamente ausgeben.
Das reichte aus, um es sich endgültig mit der deutschen Apothekerschaft zu verscherzen. Der baden-württembergische Apothekerverband wollte den unliebsamen Konkurrenten aus dem Rennen werfen - und klagte. Der DocMorris-Automat sei kein Versandhandel sondern eine Apotheke - und für die brauche es eben eine Betriebserlaubnis, so die Argumentation, der das zuständige Landgericht folgte. Und wieder wurde der Hüffenhardter Terminal geschlossen.
Immer weniger Apotheken in Deutschland
Dieses gerichtliches Hin und Her mutet auf den ersten Blick wie eine Provinzposse an. Tatsächlich geht es aber um die grundsätzliche Frage, wie eine flächendeckende Versorgung mit Medikamenten in Zeiten des Apothekenschwunds aussehen soll. Denn seit Jahren werden Apotheken geschlossen, auf 100.000 Einwohner kommen im Schnitt nur noch 25 - Tendenz fallend.
Gerade für ländliche Gegenden wären Automaten wie die von DocMorris also durchaus eine bedenkenswerte Option. Doch daraus wird erst einmal nichts. Denn das Landgericht Mosbach entschied heute, dass das, was der Versandhändler in Hüffenhardt treibe, eben kein Versandhandel sei. Zu einem solchen würde gehören, dass die bestellten Medikamente mit Verzögerung einträfen. Da die Abgabe in Hüffenhardt jedoch prompt erfolge und auch direkt mitzunehmen sei, seien die Merkmale eines Versandhandels nicht gegeben.
Ein klarer Sieg für den Apothekerverband. In Hüffenhardt jedoch wird man sich nun wieder abgewöhnen müssen, schnell mal eben ein paar Aspirin-Tabletten zu besorgen zu können. Denn die gibt’s jetzt erst wieder in der nächsten Apotheke. Im nächsten Dorf.