E-Auto-Hersteller Nio Tesla-Jäger aus China
Er ist an der Börse inzwischen mehr wert als BMW und Daimler: Der chinesische Hersteller Nio will seine Elektroautos bald auch in Europa verkaufen. Dabei war er noch vor kurzem fast pleite.
Eine Konzerthalle im Süden der chinesischen Metropole Chengdu: Hunderte vor allem junge Menschen drängen sich vor dem Eingang. Rein kommt nur, wer einen negativen Covid-19-Test dabei hat. Das chinesische E-Auto-Startup Nio präsentiert hier heute sein neues Modell. Drei Männer und zwei Frauen sind extra aus dem anderthalb Tausend Kilometer entfernten Hangzhou nach Chengdu gekommen. Das Ganze sei für sie ein Nio-Fanclubtreffen, erzählen sie begeistert.
In der Halle stellt Firmengründer Li Bin alias William Li den ET7 vor, die neue Limousine vor Nio: elegant-schnittiges Design, Allradantrieb, bis zu 653 PS, von Null auf 100 in knapp unter 4 Sekunden. Dank eines neuartigen Feststoff-Akkus soll der ET7 irgendwann einmal eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometern schaffen. Kostenpunkt: umgerechnet rund 57.000 Euro für das Basis-Modell - in China. Bisher ist Nio nur auf dem Heimatmarkt aktiv.
Fans der Marke Nio verfolgen mit Maske die Vorstellung des neuen Elektroauto-Modells in Chengdu.
"Uns ist bewusst, dass wir auch in Europa schon viele begeisterte Fans haben", sagt Nio-Firmengründer Li Bin. "Wir haben auch schon Pläne, dort unsere Autos zu verkaufen." Noch 2021 werde es für sein Unternehmen losgehen in Europa. "Wir werden dort zunächst in einem Land starten und wollen das dann Schritt für Schritt ausbauen."
Einzelheiten nennt Nio nicht, aber Analysten rechnen damit, dass das chinesische Unternehmen wohl zuerst in Norwegen starten wird. Dort ist bereits etwa jeder zweite verkaufte Neuwagen ein E-Auto.
Rettung durch den Staat
Das Unternehmen Nio gibt es erst seit rund sechs Jahren. Bisher produziert es große Elektro-SUV. Seit Herbst 2018 ist Nio an der New Yorker Börse gelistet. Anfang vergangenen Jahres stand Nio kurz vor der Pleite. Durch staatliches Geld wurde das Untenehmen gerettet, genauergesagt durch Geld der chinesischen Millionenstadt Hefei im Landesteil Anhui.
"Nachdem die Stadtregierung von Hefei rund eine Milliarde Euro investiert hat in Nio, wuchs das Vertrauen wieder", sagt der Shanghaier Autobranchen-Berater Zeng Zhilin. "Diese Finanzhilfe hat Nio stabilisiert."
Der Börsenkurs des E-Auto-Startups hat sich seitdem etwa verzwanzigfacht. Inzwischen ist Nio an der Börse rund 80 Milliarden Euro wert - deutlich mehr als etwa BMW und Daimler. "Der Börsenwert ist so hoch, weil Anleger in Nio ein Tech-Unternehmen sehen, weniger einen traditionellen Autokonzern", sagt Experte Zeng Zhilin.
Firmenchef Li Bin räumt ein, dass es sich bei Nio eigentlich noch um ein kleines Unternehmen handelt. "Bisher verkaufen wir in China nur etwa so viele Autos im Jahr wie BMW innerhalb von nur drei Wochen in China absetzt und weniger als zwei Prozent von dem, was BMW im Jahr weltweit verkauft."
Li Bin hält nach wie vor einen Großteil der Anteile an Nio. Durch den enorm gestiegenen Börsenkurs ist er zum Multimilliardär und einem der reichsten Männer Chinas geworden. Nach dem Gespräch mit der ARD hat Li Bin einen weiteren für ihn sehr wichtigen Termin, wie er selbst sagt: Eine Stunde lang online chatten mit Nio-Kunden, die er "User" nennt.
Events und Bars für die Fangemeinde
Viel mehr als die etablierten Autokonzerne setzt Nio auf ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Kunden, auf den Community-Gedanken. Das Unternehmen veranstaltet Fan-Treffen, organisiert Sport-Events und betreibt schicke Café-Bars in den Auto-Häusern.
Bei den Kunden kommt diese branchenuntypische Firmenkultur an - gerade im Vergleich zu den in China bisher enorm starken deutschen Autokonzernen. "Deutsche Autos stehen in China für Top-Qualität. Die Deutschen sind beim Autobau unsere Lehrer aber Chinesen sind gute Schüler", heißt es von den Fanclub-Mitgliedern. "Wir wollen unseren Lehrer überholen. Die neuen chinesischen E-Auto-Marken sind die Hoffnung unserer Nation. Deswegen unterstützen wir Nio."