"Türkiser" Wasserstoff Ideen für den Treibstoff der Zukunft
Bis 2050 will die EU klimaneutral werden. Dabei soll Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Umstritten in der Industrie ist, welches Verfahren sich am besten eignet. Einen neuen Weg beschreitet der BASF-Konzern.
Politiker, Unternehmer und Klimaschützer schwärmen vom Wasserstoff. H2 gilt als Energieträger der Zukunft und Allzweckwaffe für den Klimaschutz. "Die Energiewende wird ohne Wasserstoff nicht gelingen", sagt RWE-Chef Rolf Martin Schmitz.
470 Milliarden Euro für den H2-Ausbau bis 2050
Im Rahmen des europäischen "Green Deals" sollen bis 2050 bis zu 470 Milliarden Euro in den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft investiert werden. Ein Großteil davon soll in die Errichtung von Solar- und Windenergieanlagen fließen, die grünen Wasserstoff erzeugen.
Dabei ist der Treibstoff der Zukunft eigentlich völlig farblos. Doch für die unterschiedliche Herstellung des Wasserstoffs haben Experten eine ganze Farbenlehre entwickelt. Es gibt den braunen, weißen, grauen, blauen, roten, grünen, gelben und türkisen Wasserstoff.
Grüner Wasserstoff: Zu teuer und zu wenig
Von der Politik favorisiert wird der grüne Wasserstoff. Er entsteht durch die Elektrolyse von Wasser mit Hilfe erneuerbarer Energien. Das Problem: "Noch ist grüner Wasserstoff zu teuer", klagt RWE-Chef Schmitz. Experten zufolge kostet er rund 5,50 bis sechs Euro je Kilogramm - gut doppelt so viel wie grauer Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Die Internationale Energieagentur glaubt, dass grüner Wasserstoff frühestens 2050 wettbewerbsfähig sein wird.
Zudem verfügt Deutschland momentan über nicht ausreichend erneuerbare Energien, um den erforderlichen Wasserstoff zu produzieren. Deshalb plädieren Unternehmen und Teile der Politik dafür, grünen Wasserstoff in sonnenreichen südlichen Ländern, zum Beispiel in Nordafrika zu produzieren und ihn nach Europa mit Tanklastern oder über eine Pipeline zu importieren. Die Effizienzverluste im Vergleich zur heimischen Produktion seien gering, meinen Experten der Unternehmensberatung Arthur D. Little.
Für die Übergangsphase empfiehlt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auch den blauen Wasserstoff. Bei dieser Art der Produktion wird das CO2 abgeschieden und gespeichert. Die Technologien hierfür sind freilich umstritten.
BASF setzt auf türkisen Wasserstoff
Als Alternative empfehlen Experten den türkisen Wasserstoff, der weitgehend klimaneutral über die thermische Spaltung von Methan hergestellt wird. So sieht die DZ Bank in einer Studie "große Chancen für das türkise Wasserstoff-Projekt von BASF, da es die Ressource Erdgas emissionsfrei nutzt". Das dort angewandte Verfahren der Methanpyrolyse benötigt nur ein Fünftel der Energie, die für die Wasserelektrolyse gebraucht wird. Laut BASF werden bei der Herstellung von einer Tonne türkisem Wasserstoff mit Methanpyrolyse nur 10 MWh Energie verbraucht, beim grünen Wasserstoff sind es 55 MWh Energie. Bei der konventionellen Produktion von grauem Wasserstoff über die so genannte Dampfreformierung werden zwar noch weniger, nämlich sechs MWh Energie gebraucht, allerdings entstehen dabei auch zehn Tonnen Kohlendioxid.
Aktuell baut BASF am Standort Ludwigshafen eine Testanlage, die Anfang 2021 in Betrieb gehen soll. Der bei der Pyrolyse anfallende Kohlenstoff könnte in der Aluminium-, Stahl-, oder Bauindustrie oder als Graphitersatz für Batteriematerialien eingesetzt werden, sagt Projektleiter Dieter Flick. Bis das Verfahren großtechnisch in einer Produktionsanlage angewandt wird, dürfte es wohl noch bis 2030 dauern.
BASF sieht sich als Vorreiter bei der Methanpyrolyse. Auch die Tochter Wintershall Dea, das Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) tüfteln an der Technologie. Angeblich arbeitet auch Gazprom an einem Verfahren der Methanpyrolyse.
Einige Jahre bis zur Marktreife
Stefan Stückrad vom Institute for Advanced Sustainability Studies ist überzeugt, dass der türkise Wasserstoff für den Klimaschutz unverzichtbar sein wird. "Wir brauchen neben der Elektrolyse auch die Methanpyrolyse, weil sie große Mengen an Wasserstoff bereitstellen kann", sagte er jüngst der "Süddeutschen Zeitung". Er hält die Methanpyrolyse schon in gut fünf Jahren für marktreif.
Ob türkis, blau, grün oder grau - es dürfte in den nächsten Jahren noch heftige Diskussionen über die Wasserstoff-Strategie in Deutschland und der EU geben. "Wasserstoff hat viele Farben, und wir sollten alle nutzen", plädiert RWE-Chef Schmitz. Nicht nur RWE, sondern auch andere Versorger wie Eon oder MVV, Stahlkonzerne und auch Autohersteller und Zulieferer treiben die H2-Pläne mit Hochdruck voran. Noch "ist Wasserstoff der Champagner der Energiewende", erklärt Rainer Baake, Direktor der Stiftung Klimaneutralität. Mal sehen, wann er zum Billig-Secco wird.