EU-Agrarreform Der lange Weg zur grüneren Landwirtschaft
Im Oktober verkündete die EU die Einigung auf eine Agrarreform. Bis heute dauert der Streit über die Umsetzung an. Wie groß kann der Schritt zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft werden?
Die Reform der Landwirtschaftspolitik in Europa ist eine lange Geschichte, die längst ein Ende hätte finden sollen. Aber weil die Europäische Union für die Subventionierung ihrer Landwirte immer noch den größten Teil ihres Geldes ausgibt - und das schon viele Jahrzehnte lang - gibt es um die Verteilung dieses Geld ein Hauen und Stechen.
Fast 400 Milliarden Euro sind im laufenden Siebenjahreshaushalt der EU für die gemeinsame Agrarpolitik vorgesehen. Eigentlich hätte das Budget zum ersten Mal seit Jahren gekürzt werden sollen - auch wegen des Brexit. Tatsächlich ist es dann doch wieder erhöht worden: Pro Kopf zahlen die Bürgerinnen und Bürger Europas ihren Landwirten im Jahr 114 Euro.
Reform mit geringen Veränderungen
Dieses Geld soll künftig mehr für eine nachhaltigere und ökologischere Landwirtschaft ausgegeben werden, damit sich der europäische Green Deal, der Umbau der Gesellschaft hin zu Klimaneutralität, auch dort niederschlägt. Denn einerseits wird in der Landwirtschaft viel CO2 ausgestoßen, andererseits können Agrarflächen auch viel vom klimaschädlichen Treibhausgas binden.
Das war eigentlich das Reformziel - schon vor drei Jahren, als der erste Vorschlag dazu von der EU-Kommission präsentiert wurde, und noch mehr, seit die Von-der-Leyen-Kommission im Amt ist und die Klimaneutralität in Europa bis zum Jahr 2050 zu ihrem Kernthema gemacht hat.
Inzwischen ist die Agrarreform zumindest in ihren großen Linien unter Dach und Fach. Aber: Im Prinzip ändere sich nicht viel, sagt der Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock. "Die Direktzahlungen bleiben, das ist für manche Betriebe und Bodeneigentümer gut. Die gab es sehr pfadabhängig, das ist sehr schwer zu reformieren. Und Agrarlobbyismus funktioniert - noch", so Lakner.
Agrarverbände gegen weitreichendere Reformschritte
In diesem Fall seien es die großen europäischen Landwirtschaftsverbände gewesen, die eine ambitionierte Reform verhindert hätten. Dennoch gebe es zumindest Schritte hin zu mehr grüner Landwirtschaft in der EU. Denn von den Direktzahlungen sollen die Agrarbetriebe künftig mindestens 20 Prozent für eine nachhaltige und ökologischere Bewirtschaftung ihrer Flächen ausgeben: die so genannten Eco-Schemes.
Wie das genau gehandhabt wird, entscheidet man aber nicht in Brüssel, sondern in den Mitgliedsländern selbst - und ob sie wirklich dabei mitmachen oder nicht, ist Sache der Bauern selbst. Dennoch sprach Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von erheblichen Schritten in der europäischen Agrarpolitik: "Unsere neuen Änderungen sind ein Systemwechsel, sind ein Meilenstein hin zu dem, was man 'Aufgabe von Status quo' nennt. Und wir gehen in eine Richtung, die den Landwirten unglaublich viel abverlangt."
Langwieriges Ringen um die Feinheiten
Das war im Oktober vergangenen Jahres, als Europas Agrarminister sich nach zwei Jahren auf eine grundsätzliche Linie bei der Reform der Landwirtschaftspolitik verständigt hatten. Seitdem wird über die Feinheiten verhandelt - zwischen den Mitgliedsländern, EU-Kommission und dem Europäischen Parlament.
An diesen Trilog-Gesprächen beteiligt ist der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling, selbst Öko-Landwirt aus Hessen. Für ihn ist die Reform, wie sie sich jetzt abzeichnet, inakzeptabel, weil sich an der Aufteilung der Agrarmittel nichts grundlegend ändere.
"Direktzahlungen - also die Zahlungen der ersten Säule - sind nach wie vor der tragende Pfeiler der gemeinsamen Agrarpolitik", sagt Häusling. "Das ist sozusagen die Niederlage aller Reformorientierten, die sich gedacht haben, jetzt gehe es mal in die Richtung, da fließe Geld in öffentliche Leistungen. Das ist leider nicht passiert. Sondern ganz klar: Es ist das festgeschrieben worden, was auch in der alten Agrarreform im Grunde genommen vorhanden war."
Für die Bundeslandwirtschaftsministerin dagegen zählt, dass jetzt überhaupt ein Kompromiss auf dem Tisch liegt. Jetzt gehe es darum, möglichst viel von den Schritten hin zu einer grüneren Landwirtschaft Realität werden zu lassen. Das Europaparlament immerhin macht sich für mehr verbindliche Öko-Regeln bei den Direktzahlungen stark. Auch die EU-Kommission würde das begrüßen. In vielen Mitgliedsstaaten, vor allem in Osteuropa, sieht man das allerdings skeptisch.
Streit über Fangmengen nach Brexit komplizierter
Ein Fischfangverbot im Nordatlantik wird man wohl abwenden können, heißt es in Brüssel. Trotzdem ist eine Einigung mit Großbritannien über die künftigen Fangmengen von insgesamt 70 Fischarten nach wie vor nicht in Sicht. Nun soll die Übergangsfrist, die eigentlich nur Ende dieses Monats ausläuft, möglicherweise noch einmal um weitere drei Monate verlängert werden.
Hintergrund dieser komplizierten Situation ist der Brexit. Weil es erst seit Jahresanfang ein gemeinsames Handelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union gibt, konnten erst dann die Verhandlungen über die künftigen Fischfangrechte in den von nun an nicht mehr gemeinsamen Meeresgebieten beginnen. Und während diese Gespräche sich selbst innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU hinziehen, ist es nun mit dem Drittstaat Großbritannien noch schwieriger.
Einen kleinen Lichtblick gibt es allerdings: Vor zwei Wochen konnte eine erste Einigung zwischen der EU, den Briten und Norwegen über die Fangmengen in einem Teil der Nordsee erzielt werden. Das betrifft aber nur eine vergleichsweise kleine Menge der gesamten Fischbestände, um die es jetzt geht. Wann mit einem Ergebnis der Verhandlungen gerechnet wird, ist bis jetzt völlig offen.