EU-Gipfel in Brüssel Mehr als nur Lippenbekenntnisse?
Von einem "Riesenschritt nach vorne" spricht Kanzlerin Merkel im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel zur Steuerhinterziehung. Doch gegen neue Regeln zum Austausch von Daten gibt es weiter Widerstand, sodass unklar ist, wie welche Beschlüsse wirklich umgesetzt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bedeutung des Kampfes gegen Steuerhinterziehung für die EU betont. "Wenn wir die Menschen ermutigen wollen, ehrlich die Steuern zu zahlen, dann ist es wichtig, dass entschieden gegen Steuerbetrug vorgegangen wird", sagte sie in Brüssel vor dem EU-Gipfel. Sie begrüßte eine Einigung der EU-Finanzminister aus der vergangenen Woche, Verhandlungen über die automatische Weitergabe von Bank- und Steuerdaten mit einer Gruppe von Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz aufzunehmen. "Das ist ein Riesenschritt nach vorne", sagte die Kanzlerin. Damit sei die EU aber noch nicht am Ziel: "Wir brauchen sicherlich dann noch einen verbreiterten Steueraustausch von Daten."
Luxemburg stellt weiter Bedingungen
Einem solchen Schritt will Luxemburg aber erst nach dem Abschluss der Verhandlungen mit den Nicht-EU-Ländern zustimmen. Seine Regierung werde erst "Ja" sagen, wenn ein entsprechendes Abkommen mit der Schweiz und anderen europäischen Nicht-EU-Staaten ausgehandelt sei, bekräftigte der Luxemburger Premierminister Jean-Claude Juncker.
Die EU-Staaten wollen darin festlegen, die bisher von Luxemburg und Österreich blockierte Richtlinie bis Jahresende zu verabschieden.
Juncker betonte dagegen: "Wir werden im Lichte der Verhandlungen am Jahresende entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen wir in den Informationsaustausch eintreten werden." Er begründete sein Zögern mit Rücksichtnahme auf die Schweiz. Die EU müsse das Nachbarland ernst nehmen. "Ich weigere mich, der Änderung der Zinsrichtlinie zuzustimmen und das der Schweiz auf den Tisch zu knallen", sagte er.
Österreich will nun doch zustimmen
Auch Österreich hatte sich lange gegen einen automatischen Datenaustausch gesperrt. Österreichs konservative Finanzministerin Maria Fekter hatte noch in der vergangenen Woche eine Zustimmung ihres Landes zu mehr Steuerdaten-Transparenz von der Teilnahme von Drittstaaten abhängig gemacht.
Der sozialdemokratische österreichische Bundeskanzler Werner Faymann sagte nun jedoch in Brüssel: "Dies ist ein schlechter Tag für Steuerbetrüger, weil wir gemeinsam vorgehen." Er könne der in den Gipfelbeschlüssen vorliegenden Formulierung "guten Herzens zustimmen", fügte Faymann hinzu, der in Wien einer Großen Koalition vorsteht. "Man muss mit gutem Beispiel vorangehen und darf das nicht als Blockade einsetzen."
Wie schnell ist "so schnell wie möglich"?
Dem Entwurf der Gipfelerklärung zufolge sollen "so schnell wie möglich" Abkommen zum Austausch von Steuerdaten mit den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra abgeschlossen werden. Die erweiterten Regeln zur Besteuerung von EU-Ausländern innerhalb der EU sollen demnach bis Jahresende beschlossen werden, um nicht nur Einnahmen aus Zinsen im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs zwischen den EU-Ländern zu erheben. Doch wie schnell solche Abkommen erreicht werden können, ist noch unklar. Und so lange ist auch noch nicht klar, ob ein EU-weiter Datenaustausch an Luxemburg scheitert.
Doch die EU will die Jagd auf Steuerhinterzieher nicht auf Europa beschränken. Der automatische Informationsaustausch von Steuerdaten soll laut EU zum "neuen internationalen Standard" gemacht werden. Dabei soll auf die Initiative, die von einer Gruppe von EU-Ländern um Deutschland gestartet wurde aufgebaut werden. Sie sieht eine umfassende Weitergabe von Informationen in Bezug auf alle Einkommensarten vor.
Auch Schlupflöcher, die große Unternehmen zur Steuervermeidung nutzten, wollen die EU-Länder stopfen. International hatte zuletzt das US-Unternehmen Apple für Aufsehen gesorgt, weil es gezielt seine Pflichten zur Abgabenzahlung in Niedrigsteuerländer verlagerte - wovon allerdings das EU-Mitglied Irland profitierte.